Haftet der Architekt bei Baukostenüberschreitungen?

15.06.2022

Es ist keine Seltenheit, dass die tatsächlichen Baukosten die anfänglich geplanten und häufig auch im Architektenvertrag vereinbarten Kosten um ein Vielfaches übersteigen. Dann stellt sich die Frage, inwiefern der Architekt dafür haftet. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat im September 2020 dargelegt, unter welchen Voraussetzungen die Haftung des Architekten in Betracht kommt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Einschätzung nun bestätigt.

Holzhaus teurer als geplant

In dem zugrundeliegenden Fall beauftragte der Auftraggeber den Architekten mit Planungsleistungen für die Errichtung eines Holzhauses. Statt der vereinbarten rund 340.000 Euro sind letztlich Herstellungskosten in Höhe von rund 390.000 Euro entstanden. Daher versuchte der Auftraggeber, den Architekten auf Schadensersatz zu verklagen. Letztlich erfolglos.

Architekten steht Toleranzrahmen zu

Nach Ansicht des OLG Hamm (Beschluss v. 17.09.2020 - 17 U 75/19) kommt eine Haftung wegen Baukostenüberschreitungen auch dann in Betracht, wenn die Höhe der Baukosten – wie hier – als vertragliche Beschaffenheit vereinbart worden ist. Unterschieden werden diese Fälle von Baukostengarantien, die in der Praxis selten vorkommen, da sie die persönliche Haftung des Architekten für die Einhaltung der geplanten Bausumme mit sich bringen. Die häufiger verwendete Beschaffenheitsvereinbarung führt jedoch nicht dazu, dass Überschreitungen um wenige Euro bereits einen Schadensersatzanspruch begründen. Vielmehr ist nach Ansicht des Gerichts dem Architekten in diesen Fällen ein gewisser Toleranzrahmen zuzustehen. Maßgeblich für die Haftung des Architekten sei daher zum einen, dass der Architekt den ihm zustehenden Toleranzrahmen überschreitet. Zum anderen müsse der Auftraggeber beweisen können, dass der Architekt die Baukosten bereits mangelhaft ermittelt hat.

Im vorliegenden Fall sah das Gericht eine Toleranz in Höhe von 10 % bis 15 % des Kostenanschlags (LPH 6) als sachgerecht an. Bei der Ermittlung der Kostenüberschreitung müsse allerdings beachtet werden, dass lediglich die vom Architekten beherrschbaren Teile der Kostengruppen Berücksichtigung finden. So müssen beispielsweise Einschränkungen im Hinblick auf die Kosten der Erschließung und der Außenanlagen sowie der Ausstattung vorgenommen werden, wenn diese nicht der Verantwortung des Architekten unterliegen. Vorliegend führte diese Einschränkung dazu, dass sich die Baukostenüberschreitung innerhalb der gewährten Toleranz befand und eine Haftung des Architekten mithin ausschied.

Das OLG ließ die Revision gegen dieses Urteil nicht zu und auch der BGH wies die daraufhin erhobene Nichtzulassungsbeschwerde zurück (BGH, Beschluss v. 04.08.2021 - VII ZR 166/20). Damit ist das Urteil nunmehr rechtskräftig.

Im Ermessen des Gerichts

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass es sich bei dem genannten Prozentrahmen weder um eine starre Grenze noch um gesetzlich verankerte Werte handelt. Vielmehr unterliegt es dem Ermessen des Gerichts und der konkreten Vertragsauslegung, ob die Baukostenüberschreitung im Einzelfall einen Schadensersatzanspruch begründet.

Zudem lässt sich in vielen Fällen - selbst bei Bestehen der genannten Haftungsvoraussetzungen - kein bezifferbarer Schaden feststellen. Denn die höheren Baukosten stehen einer Wertsteigerung des Bauobjekts gegenüber, sodass das Vermögen des Bauherrn im Ergebnis nicht geschmälert ist. Und ohne Schaden besteht auch für einen Schadensersatzanspruch kein Raum. Hinsichtlich der anrechenbaren Kosten könnte der Schadensersatzanspruch jedoch teilweise begründet sein, nämlich dann, wenn die volle Vergütung auf Grundlage der tatsächlichen Baukosten berechnet wurde. Da sich der Architekt jedoch an der als Beschaffenheit vereinbarten Baukostenobergrenze orientieren muss, könnte dies einen teilweisen Rückzahlungsanspruch begründen. Zumindest in dieser Höhe kommt eine Haftung des Architekten in Betracht.