Windkraftanlagen schneller genehmigen

15.06.2022

Die EU-Kommission hat eine Empfehlung zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien (18.05.2022, C (2022) 3219 final) erlassen. Ziel ist es, die Realisierung von Projekten zur Gewinnung regenerativer Energien, insbesondere der Errichtung von Windkraftanlagen, zu erleichtern. Im Kern geht es dabei um die Einschränkungen für derartige Vorhaben, die sich aus der EU-Vogelschutzrichtlinie und der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie der EU (FFH-Richtlinie) bzw. – im deutschen Recht – aus den Verbotstatbeständen des § 44 Bundes-Naturschutzgesetzes (BNatSchG) ergeben.

Vermeidung der Verwirklichung von Verbotstatbeständen

Nach der aktuellen Empfehlung sollen die Mitgliedstaaten darauf hinwirken, dass das - grundsätzlich unzulässige - Töten oder Stören einzelner Exemplare wildlebender Vögel und geschützter Arten, die unter die FFH-Richtlinie fallen, die Entwicklung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien nicht behindert. Zu diesem Zweck sollen sie dafür Sorge tragen, dass für solche Projekte gegebenenfalls Gegenmaßnahmen vorgesehen werden, die das Töten oder Stören durch Vermeidungs- bzw. Verminderungsmaßnahmen so weit wie möglich verhindern. Bei Bedarf können weitere Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass es nicht zu erheblichen negativen Auswirkungen auf die Population der betreffenden Art kommt. Unter diesen Voraussetzungen soll die Tötung oder Störung einzelner Exemplare weder unter Art. 12 Abs. 1 der FFH-Richtlinie noch unter Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie fallen. Mit anderen Worten: In diesen Fällen stehen dann die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG der Genehmigung der Vorhaben nicht entgegen.

Entwicklung in der Rechtsprechung des EuGH

Ein tendenzieller Wandel im Umgang mit den strikten artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen deutet sich bereits vor Kurzem in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ab. In dem Vorabentscheidungsverfahren „Föreningen Skydda Skogen“ (verb. Rs. C473/19 et C474/19) hat die Generalanwältin Kokott ausgeführt, dass dann, wenn die Beeinträchtigung von Vögeln nicht bezweckt, sondern nur in Kauf genommen werde, die Verbote nach Art. 5 Buchst. a und b der Vogelschutzrichtlinie nur dann gelten sollen, soweit dies notwendig ist, um diese Arten im Sinne von Art. 2 der Richtlinie auf einem Stand zu halten oder auf einen Stand zu bringen, der den ökologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen entspricht und dabei den wirtschaftlichen und freizeitbedingten Erfordernissen Rechnung trägt. Der EuGH musste zu dieser Relativierung der Verbotstatbestände (noch) nicht Stellung beziehen.

Rechtscharakter der Empfehlung

Trotz ihres unverbindlichen Charakters hat die Empfehlung der Kommission im Rahmen der Umsetzung von EU-Richtlinien erhebliche Bedeutung. Die beiden o. g. EU-Richtlinien werden durch die Empfehlung der Kommission zwar nicht in ihrer Wirkung und ihrem Inhalt gemindert. Allerdings haben die Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume bei der Umsetzung der Richtlinien.

Auswirkungen auf das deutsche Recht

Das „Sommerpaket“ der Bundesregierung gibt nun die Möglichkeit, auf die Empfehlung der EU-Kommission zu reagieren und Klarstellungen in § 44 BNatSchG vorzunehmen, um insbesondere die derzeit strenge Rechtsauslegung durch Verwaltung und Gerichte abzumildern. Ob und in welchem Umfang dies geschieht, bleibt abzuwarten, läge aber auf der aktuellen Linie der „Verschlankung“ der Genehmigungsverfahren für Projekte zur Gewinnung erneuerbarer Energien.