Mehrvergütung bei Bauzeitverschiebung durch „andere Anordnung“

15.11.2024

Bauablaufstörungen gehören zu den Dauerbrennern des Bauvertragsrechts. In einer jüngsten Entscheidung aus Berlin (KG, Urteil vom 27.08.2024 – 21 U 128/23) können „andere Anordnungen“ des Auftraggebers i.S.d. § 2 Abs.5 VOB/B dabei zugunsten des Unternehmers zu einem Mehrvergütungsanspruch führen.

Annahmeverzug als Ausgangsproblem

Unternehmer stehen durch Bauzeitverschiebungen oft vor Problemen, ihren Mehrvergütungsanspruch gegenüber dem Auftraggeber (AG) durchzusetzen. In den Bauverträgen finden sich zumeist nur Regelungen zu ihren Lasten. Auch Schadensersatzansprüche scheitern regelmäßig daran, dass die Rechtsprechung Mitwirkungshandlungen des AG nur als optional betrachtet oder es an einem zurechenbaren Verschulden mangelt. Entgangenen Gewinn kann der Auftragnehmer (AN) nach der VOB/B nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit gem. § 6 Abs. 6 Satz eins VOB/ B geltend machen.

In einer aktuellen Entscheidung des Kammergerichts Berlin (KG) vom 27.08.2024, Az. 21 U 128/23, zeigt dieses nun einen Ausweg für den AN auf. Das Urteil bezieht sich auf einen Bauvertrag, mit welchem der AN auf der Grundlage der VOB/B mit der Herstellung küchentechnischer Ausrüstung beauftragt worden war. Nachdem es zu einer Bauzeitverzögerung gekommen war, hatte der AN gegenüber seinem AG einen Mehrvergütungsanspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B geltend gemacht, weil sein Vertragspartner ihm nicht zum vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt das Feinaufmaß ermöglicht hatte. Der AN befand sich durch die Bauzeitverschiebung im Annahmeverzug der Leistung des AN.

Auslegung der „anderen Anordnung“ des AG

Das KG führt in seiner Entscheidung aus, dass bereits dann eine „andere Anordnung“ für einen Mehrvergütungsanspruch nach § 2 Abs.5 VOB/B vorläge, wenn der AG den AN darüber informiert, dass eine Leistung erst später als geplant ausgeführt werden kann. Nach der VOB steht dem AN eine Mehrvergütung zu, wenn der AG durch eine „Änderung des Bauentwurfs“ oder eine „andere Anordnung“ die Grundlage des Preises für eine vertragliche Leistung ändert.

Da der § 2 Abs. 5 VOB/B auch von „anderen Anordnung“ spricht, lässt die Regelung erkennen, dass eine Mehrvergütung auch im Fall von Anordnung in Betracht kommen soll, durch die der AG die Grundlagen des Preises der Vertragsleistung ändert, ohne das Bausoll an sich inhaltlich zu ändern. Hierunter fallen also auch Zeitverschiebungsanordnungen durch den AG. Die Änderungsanordnung muss dabei auch nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann sich auch aus dem schlüssigen Verhalten des AGs ergeben. Liegen Bauablaufverzögerungen daher in der Sphäre des Auftraggebers und teilt er dem Unternehmer mit, dass dieser seine Leistung erst zu einem späteren Zeitpunkt erbringen könne (z.B. weil das Vorgewerk nicht fertiggestellt ist), so folgt hieraus ein Mehrvergütungsanspruch des Unternehmers.

Grundsätzlich müssen die mit der Zeitverschiebung einhergehenden Mehrkosten im Rahmen der Anordnung für den AG allerdings erkennbar sein. Aus der Verzugsmitteilung müssen sich daher die Rechtsfolgen der Zeitverschiebung ergeben, d.h. die andere Leistungszeit der AN und die Kenntnis über die Auslösung von Mehrkosten durch diese Verschiebung.

Praxishinweis

Die Entscheidung des KG ist als problematisch einzustufen. Denn das Recht des Auftraggebers, einseitig die Ausführung einer geänderten Leistung verlangen zu können ist im VOB/B-Vertrag in § 1 Abs. 3 VOB B geregelt und mit der Vergütungsregelung des § 2 Abs. 5 VOB/B verknüpft. Aus letzterer Regelung ergibt sich nicht zwangsläufig ein weiteres Leistungsbestimmungsrecht. Das Vorliegen einer „anderen Anordnung“ setzt daher voraus, dass dem AG vertraglich ein über § 1 Abs. 3 VOB/B hinausgehendes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wurde. Ob der Bundesgerichtshof (BGH) die Ansicht des KG teilt, ist demnach sowohl aus rechtlichen wie auch aus tatsächlichen Gründen fraglich. Denn der BGH hat bislang eine bloße Störung des Vertrags gerade nicht als Anordnung angesehen, wenn der AG den AN lediglich über (objektive) Verzögerungen informiert.

Ferner muss sich auch aus der Erklärung des AG (ob nun ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten) klar ergeben, wann, in welchem Umfang und auf welche Weise der AG die Zeitverschiebung der vertraglichen Leistung erklärt hat und wie ihm dabei die Mehrkosten erkennbar waren. Letztlich scheiterte der AN im Verfahren vor dem KG Berlin genau daran, dass er diese Tatsachen nicht darlegen und beweisen konnte. Dennoch ist die Entscheidung in jedem Fall als weitere Waffe des AN für außergerichtliche Verhandlungen zu werten.