Protokoll als Bestätigungsschreiben bei öffentlichen Aufträgen

15.07.2022

Stellt ein Auftragnehmer fest, dass das Verhandlungsprotokoll gegenüber dem geschlossenen Vertrag mit einem öffentlichen Auftraggeber Änderungen enthält, muss er diesen widersprechen, damit der Vertrag nicht mit dem Inhalt des Protokolls zustande kommt. Denn wie jüngst das Oberlandesgericht (OLG) Celle entschied, finden die Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben auch bei Verträgen mit einem öffentlichen Auftraggeber Anwendung (OLG Celle, Beschluss vom 26.02.2021 – 4 U 37/20).

Vertragsänderung im Protokoll

Über eine Änderung im Bauverhandlungsprotokoll stritten sich eine Gemeinde und ein Auftragnehmer, der nach Durchführung des Vergabeverfahrens den Zuschlag auf sein Angebot erhielt. Dabei enthielt der Vertrag keine Fertigstellungstermine des Bauvorhabens. In der anschließenden Bauanlaufbesprechung vereinbarten die Parteien, dass das Bauwerk im Dezember 2016 fertiggestellt werden sollte. Das vom Auftraggeber erstellte Protokoll enthielt diese Frist mit dem Vermerk, dass sämtliche vertragsrelevanten Termine vom Auftragnehmer zwingend eingehalten werden sollten. Als absehbar war, dass der Auftragnehmer den Fertigstellungstermin nicht einhalten konnte, machte die Gemeinde von ihrem Kündigungsrecht aus wichtigem Grund Gebrauch. Gegen diese Kündigung wendete sich der Auftragnehmer mit seiner Klage. Ob der Auftragnehmer letztlich in Verzug geraten war, da das Protokoll einen zwingenden Fertigstellungstermin enthielt, musste das OLG Celle klären.

Wirkungen des kaufmännischen Bestätigungsschreibens

Entscheidend für den Fall waren für das OLG die Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben. Hierbei handelt es sich um den bekanntesten und bedeutendsten Handelsbrauch i.S.v. § 346 HGB, der mittlerweile Gewohnheitsrecht geworden ist. Er sieht vor, dass im Handelsverkehr zwischen Kaufleuten der Empfänger eines Bestätigungsschreibens unverzüglich i. S. d. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB widersprechen muss, wenn er den Inhalt des Schreibens nicht akzeptiert. In Gegensatz zum sonstigen zivilrechtlichen Rechtsverkehr in Bezug auf Willenserklärungen wird beim kaufmännischen Bestätigungsschreiben ein Schweigen als nachträgliche konkludente Genehmigung des Inhalts angesehen. Die Pflicht zum sofortigen Widerspruch wird aus den im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen und auch aus den Grundsätzen von Treu und Glauben gem. § 242 BGB abgeleitet. In der Rechtsfolge kommt die Vereinbarung dann mit dem Inhalt des unwidersprochenen kaufmännischen Bestätigungsschreibens zustande.

Anwendung auf öffentliche Auftraggeber

Das OLG Celle stellte fest, dass die Parteien in der Bauanlaufbesprechung einen zwingend einzuhaltenden Gesamtfertigstellungstermin für Dezember 2016 vereinbart hatten. Das Protokoll gäbe ausdrücklich wieder, dass der Termin als Vertrags- bzw. Fertigstellungsfrist festgehalten werden sollte. Den Änderungen des Protokolls im Vergleich zum geschlossenen Vertrag hätte der Auftragnehmer unverzüglich widersprechen müssen, wenn er den Inhalt des Protokolls nicht gegen sich gelten lassen will. Nach Auffassung des OLG käme der fehlende Widerspruch des Auftragnehmers nach den Grundsätzen über das kaufmännische Bestätigungsschreiben einer nachträglichen Genehmigung des Inhalts des Protokolls gleich. Die gleiche Pflicht würde schließlich bestehen, wenn er nach der Bauanlaufbesprechung ein gleichlautendes Schreiben der Gemeinde über das Ergebnis der Verhandlung erhalten habe. Das Verhandlungsprotokoll käme dem Zweck und dem Inhalt eines solchen Schreibens so nahe, dass es gerechtfertigt sei, die gewohnheitsrechtlichen Grundsätze auch auf dieses anzuwenden. Das Verhandlungsprotokoll werde gerade zu dem Zweck erstellt, die Vertragsverhandlung und deren Ergebnis zu bestätigen und schriftlich zu dokumentieren.

Der Anwendungsbereich dieses handelsrechtlichen Grundsatzes ist dabei nicht mehr nur auf Kaufleute beschränkt. Das OLG zitiert dabei das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27.01.2011 – VII ZR 186/09. Grundsätzlich kann zwar ein Nichtkaufmann einen Kaufmann durch ein Bestätigungsschreiben binden, nicht jedoch umgekehrt. Öffentliche Auftraggeber sind zwar keine Kaufleute im handelsrechtlichen Sinne, aber aufgrund ihrer Unabhängigkeit und fiskalischen Tätigkeitsbereiche vergleichbar, sodass die Grundsätze auf sie Anwendung finden. Dem Auftragnehmer hätte klar sein müssen, dass der öffentliche Auftraggeber die Fertigstellungsfristen im Verhandlungsprotokoll schriftlich fixieren will. Ohne einen unverzüglichen Widerspruch zur Abänderung des Vertrages, muss der Auftragnehmer diese Änderung gegen sich gelten lassen.

Protokolle immer sorgfältig prüfen

Die Entscheidung des OLG Celle führt die Rechtsprechung des BGH konsequent weiter. Bereits in dieser Entscheidung hatte der BGH festgestellt, dass die Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben auch auf Personen anwendbar sind, die ähnlich wie ein Kaufmann selbstständig sind und in größerem Umfang am Rechtsverkehr teilnehmen. Die gewohnheitsrechtliche Regelung des Handelsgesetzbuchs findet somit auch auf den Fiskus Anwendung. Daher ist hier in der Praxis angezeigt, auf Verhandlungsprotokolle und deren Kontrolle äußerste Sorgfalt zu verwenden. Auch die Auftraggeberseite – so ebenfalls der öffentliche Auftraggeber – muss sich auf der Grundlage eines unwidersprochen geblieben Baustellenbesprechungsprotokolls an die getroffenen Absprachen halten. Nach der Entscheidung der OLG ist nunmehr klar, dass die vom BGH formulierten Grundsätze nur dann nicht gelten, wenn der Empfänger des Protokolls ein Verbraucher ist.