Kündigung des Bauvertrages per E-Mail ist unwirksam

15.11.2022

Bevor Schadensersatzansprüche vor Abnahme geltend gemacht werden können, bedarf es in der Regel zunächst einer wirksamen Kündigung. Diese erfordert seit der Einführung des „neuen“ Bauvertragsrechts im Jahr 2018 jedoch die Schriftform. Das Oberlandesgericht München (Beschl. v. 03.02.2022 – 28 U 3344/21) stellt in diesem Zusammenhang klar, dass die eingescannte und per E-Mail übersandte Kündigungserklärung dafür nicht ausreicht.

Kein Schadensersatzanspruch ohne wirksame Kündigung

Aufgrund der durch den Auftraggeber eingelegten Berufung hatte das Gericht über Ansprüche aus einem Bauvertrag zu entscheiden, der im Jahr 2018 – und damit kurz nach Einführung des neuen Bauvertragsrechts - geschlossen worden war. Während der Auftragnehmer die Zahlung des restlichen Werklohns forderte, wendete der Auftraggeber ein, den Vertrag bereits aus wichtigem Grund gekündigt zu haben. Die Kündigung aus wichtigem Grund führt grundsätzlich dazu, dass der Auftraggeber nur die (mangelfrei) erbrachte Leistung zu vergüten hat und darüber hinaus sogar einen Schadensersatzanspruch für Ersatzvornahmekosten geltend machen kann. Dies kommt allerdings nur zum Tragen, wenn die Kündigung auch formell wirksam ist.

Kündigung muss schriftlich erfolgen

Bis zur Einführung des Bauvertragsrechts im Jahr 2018 konnten VOB/B-Verträge auch per telekommunikativer Übermittlung, also beispielsweise per E-Mail, gekündigt werden. Für Verträge, die nach dem 31.12.2017 geschlossenen worden sind, gilt dies nicht mehr. Durch die Einführung des § 650 h BGB ist die Schriftform nunmehr bei jeder Kündigung eines „neuen“ Bauvertrages zu wahren. Die Schriftform setzt konkret voraus, dass die Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigtem Handzeichen zu unterschreiben ist. Eine eigenhändig unterzeichnete Kündigung, die anschließend eingescannt und per E-Mail übersandt wird, genügt diesen Anforderungen nicht.

Gibt es eine Alternative zur Papierform?

Dies bedeutet nun allerdings nicht, dass jede Kündigung zukünftig postalisch in Papierform versandt werden muss. Vielmehr sieht das Gesetz in §§ 126 Abs. 3, 126a BGB auch die Möglichkeit der elektronischen Übersendung vor. Dafür muss der Aussteller das elektronische Dokument mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur versehen und seinen Namen hinzufügen.

Rettungsanker

Falls die Kündigung dem Schriftformerfordernis nicht gerecht wird, bleibt aus Sicht des Auftraggebers noch ein Rettungsanker, um auf die Rechtsfolgen einer wirksamen Kündigung zurückgreifen zu können: Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 14.11.2017, Az. VII ZR 65/14) ist die wirksame Kündigung des Auftraggebers entbehrlich, wenn eine endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung des Auftragnehmers vorliegt und der Auftraggeber durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er den Vertrag beenden will. Die Anforderungen an diese Voraussetzungen sind allerdings sehr hoch, sodass diese nur in Ausnahmefällen vorliegen dürften.

Empfehlung für die Praxis

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung empfiehlt es sich, zukünftig jedes Kündigungsschreiben unterzeichnet und postalisch – aus Beweisgründen am besten per Einschreiben mit Rückschein – an den Empfänger zu übersenden oder die qualifizierte elektronische Signatur zu verwenden. Wenngleich sich die Rechtsprechung und die neuen Gesetze nicht auf vor dem 01.01.2018 geschlossene VOB/B-Verträge beziehen, dient diese Empfehlung der Sicherheit, in jedem Fall eine zumindest formell wirksame Kündigung auf den Weg gebracht zu haben.