An den Weihnachtsfeiertagen ruht die Frist – oder nicht?

15.12.2022

Fällt die 10-tägige Wartefrist in einem Vergabeverfahren so auf die Feiertage und Wochenenden, dass einem Bieter für die Entscheidung über einen Nachprüfungsantrag nur vier oder fünf Arbeitstage verbleiben, kann dies dazu führen, dass die Frist nicht wirksam in Lauf gesetzt wird. Zu diesem Ergebnis ist die Vergabekammer Südbayern gekommen.

Vorabinformation der Antragsgegnerin am 23.12.

Die Antragsgegnerin beabsichtigte im Wege eines offenen Verfahrens die Beschaffung von mobilen Raumluftreinigungsgeräten für Gruppen- und Funktionsräume in Kindertageseinrichtungen. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union. Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote wurde der 10.12.2021, 23:59 Uhr, festgelegt. Bis zu diesem Termin reichte eine Vielzahl von Bietern fristgerecht Angebote ein, darunter auch die Antragstellerin.

Mit Vorabinformationsschreiben nach § 134 GWB vom 23.12.2021 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin über die beabsichtigte Zuschlagserteilung zum 3.1.2022 an einen anderen Bieter. Das Schreiben ging an die allgemeine E-Mail-Adresse und nicht an die im Angebotsschreiben aufgeführte E-Mail-Adresse des zuständigen Bearbeiters. Aufgrund der Weihnachtstage wurde die Nachricht erst am 27.12.2021 um 12:21 Uhr vom zentralen E-Mail-Postfach hausintern an den zuständigen Bearbeiter weitergeleitet. Dieser befand sich bis einschließlich 2.1.2022 im Weihnachtsurlaub.

Mit anwaltlichem Schreiben rügte die Antragstellerin das Vorabinformationsschreiben nach § 134 GWB sowie die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die Beigeladene als vergaberechtswidrig und stellte am 6.1.2022 einen Nachprüfungsantrag. In ihrer Begründung hieß es, dass der Vertragsschluss unwirksam sei, weil der Vertrag vor Ablauf der Stillhaltefrist geschlossen worden sei. Die Vorabinformation der Antragsgegnerin habe die Stillhaltefrist von 10 Tagen nicht wirksam in Gang gesetzt. Aufgrund der Weihnachtstage sowie Silvester und Neujahr seien lediglich 3,5 Arbeitstage verblieben, um die Vergabeentscheidung zu bewerten, ggf. zu rügen und ein etwaiges Nachprüfungsverfahren einzuleiten. Da davon auszugehen sei, dass die Vergabekammer an Silvester keinen gewöhnlichen Dienstbetrieb führe und das Ende der Wartefrist am 2.1.2022 auf einen Sonntag gefallen sei, hätte ein Nachprüfungsantrag der Vergabekammer somit bereits am Vormittag des 30.12.2021 vorliegen müssen, um eine Übermittlung an den Auftraggeber am selben Tag zu gewährleisten.

Argumentation im Einklang mit der geltenden Rechtsprechung

Ein Zeitraum von ca. 4,5 Arbeitstagen (unter Einschluss des 24.12.) liegt gemäß der geltenden obergerichtlichen Rechtsprechung an der alleruntersten Grenze der noch tolerierbaren faktischen Verkürzung des Zeitraums für die Überprüfung und Entschließung, ob ein Nachprüfungsantrag eingereicht werden soll sowie für die Abfassung des Nachprüfungsantrags. D. h. in diesen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass die Frist nach § 134 GWB nicht wirksam in Lauf gesetzt wird.

Dem stimmte auch die Vergabekammer zu, aber…

…wies den Nachprüfungsantrag dennoch als unzulässig zurück. Nach Auffassung der Vergabekammer führte die Verkürzung im vorliegenden Fall nicht dazu, dass die Wartefrist nach § 134 GWB nicht zu laufen begonnen habe. Die Antragsgegnerin habe nämlich zu Recht darauf hingewiesen, dass die Besonderheiten des Einzelfalls zu berücksichtigen seien.

Denn nicht die von der Antragsgegnerin verursachte Verkürzung des Zeitraums verursachte die verspätete Stellung des Nachprüfungsantrags, sondern die mangelnde Organisation der Urlaubsvertretung des zuständigen Sachbearbeiters. Zudem wäre die Antragstellerin ohne große Entscheidungs- und Überlegungsfrist in der Lage gewesen, substantiiert zu rügen und kurzfristig einen Nachprüfungsantrag zu stellen, sobald der zuständige Sachbearbeiter von der Vergabeentscheidung Kenntnis erlangt hatte.

Aussetzung der Frist nur unter strengen Voraussetzungen

Der Beschluss der Vergabekammer bestätigt insoweit die geltende Rechtsprechung, dass eine Fristverkürzung (insbesondere über die Weihnachtsfeiertage) zwar denkbar ist, zeigt aber unmissverständlich auf, dass dies aber keinesfalls zwingend vorausgesetzt werden kann. Im Interesse beider Parteien ist es zur Konfliktvermeidung somit geboten, die Wartefrist nach § 134 Abs. 1 GWB – sofern es der Zeitplan zulässt - erst nach den Weihnachtsfeiertagen in Gang zu setzen.