Lange Verzögerung kann kurze Nachfrist rechtfertigen

15.12.2022

Der fruchtlose Ablauf einer angemessenen Nachfrist ist Voraussetzung für eine wirksame Kündigung bei Bauverträgen. Die Angemessenheit der Nachfrist ist dabei oft der zentrale Streitpunkt zwischen den Parteien. Dass eine kurze Nachfristsetzung bei einer lang andauernden Verzögerung angemessen sein kann, zeigt eine neue Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom 18.02.2021 - 22 U 103/19.

Streit über die fristgerechte Fertigstellung

Mit der Frage der Angemessenheit hatte sich das OLG aufgrund einer Klage eines Bauherrn zu beschäftigen. Dieser hatte ein Bauunternehmen mit der Errichtung eines Einfamilienhauses beauftragt. Die Parteien vereinbarten eine Bauzeit von sieben Monaten sowie eine Vertragsstrafe bei nicht rechtzeitiger Fertigstellung. Während der Bauausführung kam es von Seiten des Bauunternehmers zu langwierigen Verzögerungen, sodass der Bau auch nach 11 Monaten noch nicht abgeschlossen war. Daraufhin setzte der Bauherr dem Bauunternehmer eine Frist von sechs Tagen zur Fertigstellung seiner Leistung. Nachdem diese ausblieb, kündigte der Kläger den Vertrag noch am Tag des Fristablaufs fristlos. Mit seiner Klage verlangt er den Ersatz der Restfertigstellungskosten und die Zahlung der Vertragsstrafe.

Letzte Gelegenheit zur Erfüllung

Das OLG Frankfurt entschied zu Gunsten des Bauherrn. Er sei berechtigt gewesen, den Vertrag aufgrund des Leistungsverzugs zu kündigen. Das Gericht führt in seiner Entscheidung aus, dass auch die kurze Nachfristsetzung von sechs Tagen angemessen gewesen sei. In der Begründung berief sich das OLG auf den Sinn und Zweck der Nachfristsetzung. Diese solle dem Auftragnehmer die letzte Gelegenheit geben, das begonnene Werk zu vollenden und ihn nicht erst in die Lage versetzen, nun erst die Erfüllung seiner Leistung in die Wege zu leiten. Wenn der Auftragnehmer sich bereits in Verzug befindet, muss er die ihm größtmöglichen Anstrengungen unternehmen, um die Fertigstellung zu erreichen und die Mängel zu beseitigen. Das Gericht stellte dabei klar, dass dies auch eine erhebliche Erhöhung der Anzahl der Arbeitskräfte und der täglichen Arbeitsstunden wie auch Doppelschichten oder Samstagsarbeit beinhalte. Ist dem Auftragnehmer auch unter diesen Bemühungen eine Fertigstellung in der gesetzten Frist nicht möglich, habe er dies beim Auftraggeber unter Vorlage des Bauzeitenplans anzuzeigen. Auch dieser Obliegenheit sei der Auftragnehmer nicht nachgekommen.

Das OLG stellt zudem fest, dass die Kündigung des Bauherrn noch am selben Tag des Fristablaufs unschädlich sei und nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führe. Grundsätzlich sei zwar der tatsächliche Ablauf der gesetzten Nachfrist abzuwarten, bevor der Auftrag entzogen werden könne. Stünde jedoch bereits fest, dass die gesetzte Frist nicht eingehalten wird, so sei der Auftraggeber bereits vor Ablauf der Frist zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Insbesondere dürfe ein weiteres Abwarten für den Auftraggeber nicht zumutbar sein.

Beachtung in der Praxis

Das OLG Frankfurt orientiert sich streng am Sinn und Zweck der Nachfristsetzung. Um die Angemessenheit der Nachfrist bewerten zu können, müssen immer die konkreten Umstände des Einzelfalls betrachtet werden. Doch auch diese Entscheidung zeigt, dass eine sehr kurze Nachfrist bereits dann angemessen sein kann, je kürzer die ursprüngliche Frist war und je länger die bereits entstandene Verzögerung andauert. Der Auftragnehmer muss jedoch die Möglichkeit haben, seine Leistung innerhalb der Frist zu erbringen. In der vorliegenden Konstellation war bereits eine Verzögerung von mehr als der Hälfte der ursprünglich vereinbarten Fertigstellungsfrist eingetreten, sodass auch eine kurze Frist von wenigen Tagen gesetzt werden konnte. Der Auftraggeber sollte aber stets darauf achten, die Nachfrist nicht zu kurz zu bemessen und erst nach deren sicherem Ablauf zu kündigen. Denn die Rechtsprechung des BGH sieht zwar vor, dass eine zu kurze Frist immer eine angemessene Nachfrist in Gang setzt, eine vor Ablauf dieser Frist erklärte fristlose Kündigung wäre jedoch im Regelfall unwirksam.