Unionswidrigkeit der Mindest- und Höchstsätze der HOAI – was heißt das eigentlich für die Praxis?

30.08.2019

Beachtung der EuGH-Rechtsprechung bereits in laufenden Verfahren

Das OLG Celle hatte darüber zu entscheiden, ob eine Planerin Honorarnachforderungen im Umfang von mehr als 600.000 € brutto aus in den Jahren 2016 und 2017 neu erstellten Schlussrechnungen geltend machen kann, nachdem sie zuvor in den Jahren 2011 bis 2015 Schlussrechnungen in Höhe von zusammen ca. 230.000 € erteilt hatte und diese auch bezahlt wurden. Die Planerin berief sich unter anderem auf eine Mindestsatzunterschreitung, weshalb sie meinte, nachträglich höhere, den Mindestsätzen entsprechende, Honorarforderungen stellen zu dürfen.

Mit Urteil vom 17.07.2019 (Az: 14 U 188/18) verneinte das OLG einen entsprechenden Honoraraufstockungsanspruch unter Verweis auf die Europarechtswidrigkeit der HOAI bezüglich ihrer Mindestsätze. Nach Auffassung des Gerichts verbietet der Anwendungsvorbehalt des Europarechts die Anwendung von für europarechtswidrig erklärten Regelungen der HOAI auch in laufenden Rechtsstreitigkeiten.

Entsprechend hat das OLG Celle auch im laufenden Parallelverfahren (Az: 14 U 182/18) argumentiert. Den Ausgangspunkt bildete hierbei ein quasi entgegengesetzter Fall: Der Architekt begehrte mit seiner auf eine Honorarvereinbarung gestützten Klage die Zahlung eines Architektenhonorars, das über den Höchstsätzen der HOAI lag. Der Bauherr verteidigte sich mit dem Hinweis auf die Regelung in § 7 HOAI 2009, wonach Honorarvereinbarungen nur wirksam sind, wenn sie sich im Rahmen der Mindest- und Höchstsätze der HOAI bewegen.

Mit Urteil vom 23.07.2019 hat das OLG Celle der Honorarklage stattgegeben, da wegen der Unionswidrigkeit von Regelung in der HOAI, die auf den Höchstsatzcharakter abstellen, die Wirksamkeit einer Honorarvereinbarung nicht an der Regelung des § 7 HOAI 2009 gemessen werden kann. 

Keine unmittelbare Wirkung auf laufende Verfahren

Einen anderen Ansatz hierzu verfolgt das OLG Hamm. Mit Urteil vom 23.07.2019 (Az: 21 U 24/18) gaben die Richter einer Honorarklage eines Ingenieurs statt, die sich auf eine Mindestsatzunterschreitung einer getroffenen Honorarvereinbarung bezog. Die Richter urteilten, dass das EuGH-Urteil lediglich nur die Bundesrepublik Deutschland (BRD) binde, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den europarechtswidrigen Zustand der HOAI zu beseitigen. Bis dahin bleiben aber die bestehenden Regelungen in der HOAI anwendbar, weshalb eine Honorarvereinbarung, die die Mindestsätze der HOAI unterschreitet, nach § 7 unwirksam ist. Wegen der entgegenstehenden Rechtsprechung des OLG Celle wurde die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen.

So auch das Kammergericht Berlin in seinem Beschluss vom 19.08.2019 (Az: 21 U 20/19)

Trotz argumentativ ähnlicher Ausgangsposition kommt das OLG Dresden in seinem Urteil vom 04.07.2019 (Az: 10 U 1402/17) faktisch zum gleichen Ergebnis wie das OLG Celle. Demnach sollen die Feststellungen im EuGH-Urteil zwar nur die BRD binden, allerdings soll nach Auffassung des Gerichts dem EuGH-Urteil eine Präjudizwirkung dahingehend zukommen, dass nationale Gerichte verpflichtet sind in gleich gelagerten Fällen entsprechend zu entscheiden.

Praxistipp:

Wegen der bestehenden Rechtsunsicherheit bedingt durch die unterschiedliche OLG-Rechtsprechung sollten – soweit möglich – Honorarstreitigkeiten bis zur Entscheidung durch den BGH zurückgestellt werden. In bereits laufenden gerichtlichen Honorarstreitigkeiten sollte auf eine Verfahrensaussetzung bis zur höchstrichterlichen Klärung der Rechtslage hingewirkt werden.