Vergabekammer Bund: Führt die Verwendung von alten Vergabeunterlagen zwingend zum Angebotsausschluss?

01.10.2018

Zugrundeliegender Sachverhalt

Die Antragsgegnerin (Auftraggeberin) machte eine beabsichtigte Vergabe gemeinschaftsweit bekannt. Die Vergabeunterlagen enthielten genaue Vorgaben für die Angebotserstellung. Ausdrucksweise wird dort ausgeführt:

 „Grundlage für die Erstellung des Angebotes sind ausschließlich diese Vergabeunterlagen in der aktuellsten über den „AnA-Web“ der e-Vergabe-Plattform bereitgestellten Version.“

Im Laufe der Angebotsfrist wurde am 20.03.2018 von der Antragsgegnerin eine neue Version der Vergabeunterlagen auf die Vergabeplattform hochgeladen. Hierbei wurde im Vergleich zur Vorgängerversion der Maßnahmeort geändert.

Die Antragstellerin gab am 29.03.2018 als Bieterin ein Angebot ab. Hierbei verwandte sie aber nicht die letzte Version, sondern die veraltete Vorgängerversion der Datei Leistungsverzeichnis.

Mit Schreiben vom 04.06.2018 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin gemäß § 134 GWB mit, dass das abgegebene Angebot nicht berücksichtigt werden könne. Das Angebot sei nämlich nicht formgerecht eingegangen (§ 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV i. V. m. § 53 VgV).

Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 07.06.2018. Mit Schreiben vom 07.06.2018 wurde die Rüge seitens der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Mit dem am 13.06.2018 bei der Vergabekammer eingegangenen Schriftsatz beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.

Kein Formverstoß nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV i. V. m. § 53 VgV

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sah die Vergabekammer die Voraussetzungen eines Ausschlusses nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV i. V. m. § 53 VgV als nicht erfüllt an, da es sich bei der Verwendung veralteter Vergabeunterlagen um keinen Formverstoß handelt.

Zwingender Ausschluss nach § 57 Nr. 4 VgV

Allerdings lag nach Auffassung der Vergabekammer in der Abweichung von den Vorgaben bei der Angebotserstellung und der Verwendung veralteter Vergabeunterlagen ein zwingender Ausschlussgrund nach § 57 Nr. 4 VgV vor.

Hinreichende Transparenz

Die Antragsgegnerin hat die Verwendung der neuesten Version der Vergabeunterlagen hinreichend transparent verlangt. Der Hinweis in den Vergabeunterlagen war hierzu ausreichend.

Materielle Vergleichbarkeit irrelevant

Die Vergabekammer wies ausdrücklich darauf hin, dass es auch nicht darauf ankomme, dass das Angebot materiell die (geänderten) Anforderungen der Antragsgegnerin erfülle und damit mit den Angeboten anderer Bieter vergleichbar sei. Denn auch wenn die Antragstellerin mit ihrem Angebot die Vorgaben der Antragsgegnerin in der neuen Version durch die „Beachtung“ schon der alten Version einhält, liegt im Ergebnis dennoch ein formales Abweichen von den seitens der Antragsgegnerin aufgestellten Vorgaben vor. Eine Abweichung von einer Bewerbungsbedingung i. S. d. § 29 VgV stellt aber eine Änderung an den Vergabeunterlagen i. S. d. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV dar. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV soll gerade verhindern, dass Angebote mit unterschiedlichem Inhalt abgegeben werden.

Qualität der Änderung irrelevant

Irrelevant ist auch zudem, ob die vom Bieter vorgenommenen Änderungen zentrale, wichtige oder unwesentliche Punkte betreffen und ob die Abweichung Einfluss auf das Wettbewerbsergebnis haben kann. Entscheidend ist insoweit alleine der Umstand, dass von den zwingenden Vorgaben, die aktuellsten Vergabeunterlagen bei der Angebotserstellung zu verwenden, abgewichen worden ist.