Vergabekammer Bund: Kein alternativer Kommunikationsweg per Fax eröffnet, wenn die Bekanntmachung die Vorgabe enthält, die eVergabe-Plattform zu nutzen!

06.06.2018

Zugrundeliegender Sachverhalt:

Die Auftraggeberin (die spätere Antragsgegnerin) schrieb europaweit ein Stromtankstellensystem aus. Die Auftragsunterlagen konnten über einen unter Ziffer I.3 der EU-Bekanntmachung enthaltenen Link heruntergeladen werden. Die Bekanntmachung enthielt unter Ziff. I. 3 „Kommunikation“ folgende Angaben:

Die Auftragsunterlagen stehen für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang gebührenfrei zur Verfügung unter:

[…]

Weitere Auskünfte erteilen/erteilt: die oben genannten Kontaktstellen. (…)“

Die Bieterin (die spätere Antragstellerin) gab am 25.07.2017 über die eVergabe-Plattform der Antragsgegnerin ihr Angebot ab.

Im Rahmen der Prüfung des Angebotspreises stellte die Antragsgegnerin fest, dass im Vergleich zu den Angeboten der anderen Bieter einige Positionen der Antragstellerin eine signifikante Preisdifferenz nach unten aufwiesen. Mit Fax-Schreiben vom 19.09.2017 wandte sich die Auftraggeberin an die Bieterin und bat insoweit um Aufklärung gemäß § 60 VgV innerhalb von 6 Kalendertagen, mithin bis zum 26.09.2017. Da zudem noch Zweifel an der von der Antragstellerin gewählten Rechtsform bestanden, wandte sich die Auftraggeberin mit einem weiteren Fax-Schreiben vom 19.09.2017 an die Antragstellerin und lud diese zu einem Bietergespräch am 28.09.2017 ein.

Die Faxnummer der Antragstellerin ermittelte die Antragsgegnerin eigenständig auf der ausländischen Webseite der Antragstellerin. Weder die internationale (englischsprachige) Webseite, noch das Angebot der Antragstellerin selbst wiesen eine Faxnummer auf.

Mit E-Mail vom 27.09.2017, mithin nach Ablauf der gesetzten Frist, bestätigte die Antragstellerin den Eingang der beiden Fax-Schreiben vom 19.09.2017. Da die Antragstellerin das Fax nicht mehr in der ursprünglichen Form verwendet, sondern vielmehr die eingehenden Fax-Schreiben in E-Mails umwandelt, sollen beide Fax-Schreiben vom 19.09.2017 wegen einer unterlassenen Adressierung an den Geschäftsführer der Antragstellerin sowie der gewählten unpersönlichen Anrede zunächst im falschen Ordner gelandet sein. Erst am 27.09.2017 hatte die Antragstellerin vom Inhalt dieser Schreiben Kenntnis genommen.

Mit Schreiben vom 10.11.2017 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin gemäß § 134 GWB mit, dass sie deren Angebot mangels erfolgreicher Aufklärung nach § 60 VgV sowie wegen der Nichtteilnahme am Bietergespräch nicht berücksichtigen könne. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin zunächst mit ihrem Rügeschreiben vom 13.11.2017. Gegen die ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin vom 17.11.2017 leitete die Antragstellerin mit Schriftsatz vom gleichen Tag das Nachprüfungsverfahren bei der Vergabekammer des Bundes ein.

Pflicht zur Aufklärung gemäß § 60 VgV

Die Vergabekammer stellte zunächst fest, dass angesichts des Preisabstandes zu den übrigen Angeboten bezogen auf den jeweiligen Gesamtangebotspreis die Schwelle für die Aufklärung gemäß § 60 Abs. 1, 2 VgV eröffnet war. Die Antragsgegnerin hatte aber mit den beiden Fax-Schreiben vom 19.09.2017 einen falschen Kommunikationsweg beschritten mit der Folge, dass sich die Antragsgegnerin im Ergebnis auch nicht auf das Verstreichen der Frist durch die Antragstellerin berufen konnte.

Beschränkung der Kommunikation auf die eVergabe-Plattform

Nach Auffassung der Vergabekammer enthält die Bekanntmachung der streitgegenständlichen Ausschreibung in Ziff. I.3 für die „Kommunikation“ im Vergabeverfahren nämlich die ausschließliche Angabe zur Nutzung der eVergabe-Plattform. An diese Feststellung ändert auch nichts der Umstand, dass unter der vorstehenden Bekanntmachung unter anderem die Faxnummer der Antragsgegnerin angegeben war. Zwar konnten die jeweiligen Bieter auf diesem Weg ggf. weitere Auskünfte von der Antragsgegnerin erhalten. Hieraus ergibt sich aber nicht umgekehrt, dass die Auftraggeberin auch ihrerseits die Bieter über den alternativen Kommunikationsweg „Fax“ kontaktieren wollte.

Keine andere Bewertung nach § 81 VgV

Die Antragsgegnerin konnte sich auch hier nicht auf die Übergangsregelung des § 81 VgV zur eVergabe berufen, denn sie hatte zu keinem Zeitpunkt einen alternativen Kommunikationsweg angekündigt, sondern vielmehr in der Bekanntmachung den Weg der von ihr ausgehenden Kommunikation selbst auf die eVergabe-Plattform beschränkt.

Keine Eröffnung des Fax-Kommunikationswegs durch die Antragstellerin 

Auch hat die Antragstellerin selbst den Fax-Kommunikationsweg für das vorliegende Vergabeverfahren gegenüber der Auftraggeberin nicht eröffnet. Dem Angebotsschreiben der Antragstellerin ließ sich insoweit bereits keine Faxnummer entnehmen. Auch die unterschiedliche Ausgestaltung der nationalen und der internationalen Webseite – nur die nationale Webseite wies eine Faxnummer auf – bewertete die Vergabekammer dahingehend, dass die Antragstellerin für die mit dem Ausland abzuwickelnde Geschäftskommunikation keine Faxe empfangen wollte. Damit musste im Ergebnis die Antragstellerin daher auch nicht damit rechnen, dass die Antragsgegnerin sie im vorliegenden Vergabeverfahren per Fax kontaktiert.

Fragen zur Aufklärung nicht hinreichend klar und deutlich

Darüber hinaus waren nach Auffassung der Vergabekammer die von der Antragsgegnerin gestellten Fragen selbst nicht hinreichend klar und deutlich formuliert gewesen. Da der Antragsgegnerin die Urkalkulation der Antragstellerin vorlag, war für die Vergabekammer bereits nicht nachvollziehbar, was die Antragsgegnerin mit der Frage zur Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung konkret gemeint hatte. Auch hätte die Antragsgegnerin – auch wenn sich die Aufklärung auf die Angemessenheit des Gesamtpreises bezieht – die Antragstellerin unter Bezeichnung der (vermeintlichen) konkret identifizierten Probleme zur Aufklärung auffordern müssen. Die vorliegend durch die Antragsgegnerin nur auf eine allgemeine Aufklärung gerichtete Aufforderung genügte diesen Vorgaben nicht.

Im Ergebnis untersagte die Vergabekammer der Antragsgegnerin die Zuschlagserteilung und gab ihr auf, bei fortbestehenden Beschaffungsbedarf das Vergabeverfahren zumindest in den Stand der Aufklärung der Angebote zurück zu versetzen und die Antragstellerin erneut zur Aufklärung ihres Angebots aufzufordern.