Vergabekammer Bund: Wer trägt das Übermittlungsrisiko?

05.03.2018

Zugrundeliegender Sachverhalt

Die in Bonn ansässige Auftraggeberin (die spätere Antragsgegnerin) macht ein offenes Verfahren zur Vergabe eines Auftrags bekannt. Der Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der 27.06.2017, 10:00 Uhr.

Die antragstellende Bietergemeinschaft (Antragstellerin) hat ihr Angebot am 26.06.2017 gegen  21:30 Uhr an einen Kurierdienst übergeben zwecks Übermittlung von Berlin nach Bonn. Vereinbart war die Auslieferung am 27.06.2017 in der Zeit von 8:00 Uhr bis 9:00 Uhr.

Auf den Weg von Berlin nach Bonn blieb das Fahrzeug des Kurierfahrers aufgrund eines Defekts auf der Autobahn liegen und musste in einer Werkstatt verbracht werden. Erst nach erfolgter Reparatur konnte das Fahrzeug die Fahrt fortsetzen. Aufgrund des Zwischenfalls konnte das Angebot am 27.06.2017 erst um 10:18 Uhr, mithin 18 Minuten nach Ablauf der Angebotsfrist, der Antragsgegnerin übergeben werden. Die Antragsgegnerin schloss daraufhin das Angebot nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV wegen Verspätung von der Wertung aus.

Dagegen wandte sich die Antragstellerin über ihren Rechtsanwalt mit dem Hinweis, dass die Antragstellerin die eingetretene Verspätung nicht zu vertreten hätte. Die Antragsgegnerin hätte demnach das Angebot in die Wertung nehmen müssen.

Typisches Transportrisiko liegt beim Bieter

Die Vergabe stellte zunächst fest, dass der Fahrzeugdefekt lediglich eine von zwei Ursachen, mithin im Ergebnis auch unerheblich war. Chronologisch an erster Stelle lag nämlich die Tatsache, dass die Antragstellerin das Angebot erst am Vorabend des Fristablaufs gegen 21:30 Uhr an den Transportdienstleister übergeben hat. Damit aber stand von Anfang an für die Übermittlung lediglich nur eine Zeit von 12 Stunden und 30 Minuten zur Verfügung. Da nach Auffassung der Vergabekammer ein Fahrzeugdefekt auch bei sorgfältiger und vorschriftsmäßige Pflege und Wartung des Fahrzeuges nie auszuschließen ist, war die für die Übermittlung des Angebots veranschlagte Zeit zu knapp bemessen gewesen.

Vertretenmüssen einer zu späten Absendung

Zwar steht es jedem Bieter selbstverständlich frei, die Angebotsfrist bis zuletzt auszuschöpfen. Entscheidet sich aber ein Bieter dafür, sein Angebot – wie vorliegend – nur sehr knapp vor Ablauf der Angebotsfrist abzugeben, so hat er einen verspäteten Zugang des Angebots, der auf typische Transportrisiken des gewählten Transportmittels – mithin nicht auf höhere Gewalt – beruht, auch zu vertreten. Den gewählten Sicherheitspuffer von nur 1 Stunde wertete die Vergabekammer als viel zu knapp bemessen.

Vermeidung eines kollusiven Zusammenwirkens

Die Vergabekammer betonte in diesem Zusammenhang, dass die Bedeutung des Ausschlusstatbestandes des § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV über rein förmliche Fragen hinausgeht, indem nach der ration legis vermieden werden soll, dass Informationen aus der Vergabestelle über den Inhalt eines Angebots nach dessen Öffnung unberechtigterweise an einen anderen Bieter kommuniziert werden können, der dann den Inhalt seines eigenen Angebots noch anpassen und dieses verspätetet nachreichen könnte. Damit dient die Regelung der Vermeidung von jedwedem kollusivem Zusammenwirken zwischen Vergabestelle und Bieter, im Ergebnis mithin der Sicherung des Geheimwettbewerbs.