Landgericht Berlin: Rücktritt vom Immobilienkaufvertrag wegen mehrheitlicher Änderung der Gesellschafter

30.01.2018

Sachverhalt

Der Rechtsstreit geht um Ansprüche im Zusammenhang mit Flächen
a) an der Glinkastraße zwischen Behrenstraße und Unter den Linden (angrenzend an die Komische Oper),
b) Unter den Linden (anschließend an das unter a) genannte Grundstück; auf dem Gelände steht das sog. Funktionsgebäude der Komischen Oper.

Das Land Berlin hatte mit notariellem Vertrag vom 22. September 2000 die unter a) genannten Grundstücke an eine juristische Person, eine GmbH & Co. KG, verkauft. Die Käuferin beabsichtigte, die beiden Grundstücke zu bebauen.

Zugleich schlossen die beiden Parteien des vorgenannten Vertrages, des sogenannten „Hauptvertrages“, einen gesonderten notariell beurkundeten Vertrag am 22. September 2000, durch den die Beklagte eine Option erwarb, zwei weitere Grundstücksflächen (oben unter b) genannt) zu erwerben, um diese im Wege eines 2. Bauabschnitts zu bebauen. Die Grundstücksflächen, die Gegenstand dieses Optionsvertrages waren, gingen 2003 in das Eigentum einer neu gegründeten Stiftung über, die nunmehr als Klägerin zu 2) an dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Berlin beteiligt ist.

Dem Land Berlin stand ein Recht zu, von beiden Kaufverträgen zurückzutreten, wenn die Käuferin, bevor die geplanten Bauarbeiten beendet sind, die Grundstücke weiterveräußert oder Gesellschaftsanteile an der Käuferin mehrheitlich an fremde Dritte übertragen werden, ohne dass das Land Berlin zustimmt.

Das Land Berlin bewilligte in beiden Kaufverträgen zugunsten der Beklagten die Eintragung von Auflassungsvormerkungen, bei denen es sich um eine grundbuchrechtliche Absicherung eines Käufers vor weiteren Belastungen (z.B. durch die Eintragung einer Hypothek oder einer Veräußerung des Grundstücks an einen Dritten) in der Zeit zwischen Vertragsschluss und Eintragung als neuem Eigentümer im Grundbuch handelt.

Im Jahr 2003 wurden die Anteile einer Kommanditistin (einer GmbH) der Beklagten auf eine andere GmbH übertragen. Die weitere ursprüngliche Kommanditistin, eine GmbH & Co. KG, schied 2004 aus, da ihr Anteil aus gesellschaftsrechtlichen Gründen auf eine andere GmbH übergegangen war. Im Jahre 2008 wurde die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten durch eine andere Gesellschaft ersetzt.

In den Jahren 2004 – 2010 erwog die Beklagte eine Änderung des Konzeptes dahin, dass die Bebauung nun zunächst im Bereich der Grundstücke beginnen sollte, die Gegenstand des Optionsvertrags waren und ursprünglich erst in einem 2. Bauabschnitt bebaut werden sollten. Es kam ab 2011 zu Verhandlungen, zu Schriftwechseln und zum Austausch von E-Mails zwischen den Vertragsparteien u.a. über den Abschluss eines neuen Kaufvertrages, der die alten Verträge ersetzen und einem neuen Baukonzept der Beklagten Rechnung tragen sollte. Dieses Vorhaben scheiterte.

Mit Schreiben vom 30.04.2014 erklärte das Land Berlin den Rücktritt von dem Hauptvertrag und dem Optionsvertrag und begehrt nunmehr ebenso wie die Stiftung für die beiden ihr gehörenden Grundstücke im Wege der Klage die Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkungen. Die beiden Kläger berufen sich darauf, dass durch den Gesellschafterwechsel der Beklagten, dem nicht zugestimmt worden sei, ein Recht zum Rücktritt bestehe.

Die Beklagte hat u.a. im Wege der Widerklage verschiedene prozessuale Anträge gestellt, mit denen sie u.a. begehrt, festzustellen, dass der Hauptvertrag und der Optionsvertrag weiterhin fortbestünden. Sie ist der Auffassung, das Land Berlin verhalte sich treuwidrig.

Entscheidung des LG Berlin

Das Landgericht Berlin hat der Klage stattgegeben und die im Wege der Widerklage gestellten Anträge der Beklagten abgewiesen. Dem Land Berlin stehe ein Rücktrittsrecht zu, da sich die mehrheitlichen Gesellschafter an der Beklagten geändert hätten, ohne dass die erforderliche Zustimmung des Landes Berlin vorgelegen habe.

Die Beklagte könne sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass das Recht zum Rücktritt aufgrund des Zeitablaufs zwischen dem letzten Gesellschafterwechsel in 2008 und der ersten Rücktrittserklärung in 2014 verwirkt sei. Erforderlich sei, dass sich die Beklagte auf den Fortbestand der beiden Verträge eingerichtet habe und ihr durch den späten Rücktritt unzumutbare Nachteile entstanden seien. Dieses sog. „Umstandsmoment“ liege nicht vor. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte bereits umfangreiche Planungskosten investiert habe, deren Verlust als unnütze Aufwendungen ihr nicht zuzumuten seien.