VG Neustadt: Nutztierhaltung kann im Dorfgebiet zulässig sein

22.12.2017

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in der im Donnersbergkreis gelegenen Ortsgemeinde Sitters. Diese Ortsgemeinde hat ca. 125 Einwohner und ist umgeben von landwirtschaftlichen Flächen und Wald. In der Ortsgemeinde sind viele Grundstücke außer mit Wohngebäuden auch mit landwirtschaftlichen Nebengebäuden bebaut. Die Landwirtschaft, die früher dominierend war, hat sich aber zwischenzeitlich auf drei Betriebe in der Ortslage reduziert. Das Grundstück der Klägerin ist mit einem denkmalgeschützten Wohnhaus bebaut, das auf der Grenze zum Grundstück der zum Verfahren beigeladenen Nachbarin steht. Die Beigeladene hält auf ihrem Grundstück u.a. zur Eiergewinnung einige Hühner. Dazu nutzt sie einen 3,30 m x 2,00 m großen Hühnerstall, der an ihre Scheune grenzt. Er ist ca. 3 m von der grenzständigen Hauswand der Klägerin entfernt, in der sich vier Fenster befinden.

Auf Antrag der Beigeladenen genehmigte der beklagte Donnersbergkreis im November 2016 den Hühnerstall auf dem Grundstück der Beigeladenen, wobei die Hühnerhaltung auf 10 Hühner und einen Hahn beschränkt wurde. Dagegen erhob die Klägerin nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens Klage und machte geltend, die Baugenehmigung verstoße gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, weil das Vorhaben zu unzumutbaren Geruchsimmissionen auf ihrem Grundstück führe. Die von der Federviehhaltung ausgehenden Immissionen beeinträchtigten nicht nur die Nutzung ihrer Wohnräume. Auch die Nutzung des Gewölbekellers werde ganz erheblich eingeschränkt. Namentlich sei eine Lagerung von Lebensmitteln in dem Keller nicht mehr möglich. Gerüche gelangten durch die Auslassungen in der Wand nach innen, setzen sich auf den Lebensmitteln ab und machten diese ungenießbar. Die genehmigte Hühnerhaltung führe außerdem zu unzumutbaren Lärmimmissionen. Der Hahn krähe mehrmals des Nachts und störe so die Nachtruhe. Die Hühner verursachten zudem ein langanhaltendes, sehr lautes Gackern.

Die 4. Kammer des Gerichts hat die Klage mit folgender Begründung abgewiesen:

Die genehmigte Errichtung eines Hühnerstalls auf dem Grundstück der Beigeladenen verstoße nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche einem Dorfgebiet. Dieses diene gerade auch der Unterbringung von Tierhaltungsanlagen. Die genehmigte Haltung von 10 Hühnern und einem Hahn auf dem Grundstück der Beigeladenen müsse daher in dem faktischen Dorfgebiet grundsätzlich als ortstypisch hingenommen werden. Dabei sei unerheblich, ob es sich dabei um landwirtschaftliche oder hobbymäßige Tierhaltung handele, denn in Baugebieten mit dörflichem Charakter seien auch gewisse Geruchs- und Lärmbelästigungen durch eine gebietstypische Hobbytierhaltung als ortsüblich in Kauf zu nehmen.

Unzumutbare Geruchsimmissionen für das Anwesen der Klägerin seien mit der genehmigten Errichtung eines Hühnerstalls zur Haltung von maximal zehn Hühnern und einem Hahn nicht verbunden. Dieses geringe Ausmaß der Kleintierhaltung sprenge nicht den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung und sei daher selbst in einem Wohngebiet als der Wohnnutzung zu- und untergeordnete Geflügelhaltung regelmäßig zulässig. Umso mehr seien die mit dieser untergeordneten Tierhaltung verbundenen Geruchsimmissionen in einem faktischen Dorfgebiet als im Bereich der Bagatellgrenze einzustufen und daher von der Klägerin als ortstypisch hinzunehmen. Der Umstand, dass sich Hühnerstall und Auslauf vor der grenzständigen, mit vier Fenstern und einer Kelleröffnung versehenen Westwand des Gebäudes der Klägerin befänden, mache die ortsübliche Tierhaltung der Beigeladenen nicht rücksichtslos. Zwar erhöhten die grenzständigen Öffnungen auf dem Grundstück der Klägerin die Wahrnehmbarkeit der genehmigten Tierhaltung. Dies sei der Klägerin aber nach Lage der Dinge zuzumuten. Die vier Fenster und die Kelleröffnung seien nämlich unzulässig und damit rechtswidrig, weil die fragliche an der Grenze stehende Hauswand als Brandwand herzustellen sei. Dies bedinge aus Sicht der Kammer, dass nicht die Beigeladene bei der Nutzung ihres Grundstücks weitergehende Rücksicht auf die grenzständigen Öffnungen nehmen müsse, sondern vielmehr die Klägerin gegebenenfalls gehalten sei, durch das Schließen der Fenster oder durch sonstige „architektonische Selbsthilfe“ die Beeinträchtigungen zu minimieren.

Ein möglicher Bestandschutz der Fenster, für dessen Existenz die Klägerin die materielle Beweispflicht trage, sei insoweit unerheblich. Der Bestandsschutz sei vorrangig ein Abwehrmittel gegen bauaufsichtsbehördliche Eingriffe, nicht aber gegen die Bebauung und Nutzung des Nachbargrundstücks als Rechtsausübung eines privaten Dritten. Mit der genehmigten Errichtung eines Hühnerstalls zur Haltung von maximal zehn Hühnern und einem Hahn seien für das Anwesen der Klägerin auch keine unzumutbaren Lärmbelästigungen verbunden. Zwar mache die Klägerin insoweit geltend, der Hahn krähe mehrmals des Nachts und die Hühner verursachten zudem ein langanhaltendes, sehr lautes Gackern. Da sich aber Hahn und Hühner zur Nachtzeit in dem geschlossenen Hühnerstall befänden, könne ohne weiteres ausgeschlossen werden, dass die zulässigen Immissionsrichtwerte überschritten würden. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin auch insoweit im Hinblick auf die materielle Rechtswidrigkeit der grenzständigen Fenster gehalten sei, durch das Schließen dieser Fenster oder durch sonstige „architektonische Selbsthilfe“ die Lärmbeeinträchtigungen zu minimieren.