EuGH: Zugang zu Umweltinformationen

28.03.2017

Sachverhalt und Verfahrensgang

Der Gerichtshof ist mit zwei Rechtssachen befasst worden, bei denen es – wenn auch bei unterschiedlichen Sachverhalten – im Wesentlichen um das Recht auf Zugang zu Dokumenten in Umweltangelegenheiten geht.

In der Rechtssache C-673/13 P stellten die Vereinigungen Stichting Greenpeace Nederland und Pesticide Action Network Europe (PAN Europe) auf der Grundlage einer Unionsverordnung1 bei der Kommission einen Antrag auf Zugang zu mehreren Dokumenten, die die Erstgenehmigung für das Inverkehrbringen von Glyphosat, einem der weltweit am häufigsten verwendeten Herbizide zur landwirtschaftlichen Unkrautbekämpfung und zur Pflege städtischer Grünanlagen, betrafen. Die Kommission gewährte Zugang zu diesen Dokumenten, mit Ausnahme eines Teils des von Deutschland erstellten Entwurfs des Bewertungsberichts. Die Kommission begründete ihre Weigerung damit, dass das fragliche Dokument vertrauliche Informationen über die Rechte des geistigen Eigentums der Antragsteller für die Zulassung von Glyphosat enthalte, und zwar u. a. die genaue chemische Zusammensetzung dieses Stoffes und Informationen über das Verfahren zu seiner Herstellung sowie über Verunreinigungen und Zusammensetzung der Endprodukte.

Die beiden Vereinigungen erhoben beim Gericht der Europäischen Union Klage auf Nichtigerklärung dieser Ablehnungsentscheidung der Kommission. Mit Urteil vom 8. Oktober 2013 gab das Gericht dieser Klage statt. Nach Auffassung des Gerichts enthielten bestimmte Teile des streitigen Dokuments3 Informationen, die Bezug zu Emissionen in die Umwelt hätten. Die Kommission hätte den Vereinigungen deshalb Zugang zu diesen Teilen geben müssen und sich nicht auf den Schutz der Vertraulichkeit von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen berufen dürfen.

Die Kommission ist mit diesem Urteil unzufrieden und hat beim Gerichtshof seine Aufhebung beantragt.

In der Rechtssache C-442/14 beantragte die Bijenstichting, eine niederländische Stiftung zum Schutz der Bienen, bei der für die Erteilung von Genehmigungen für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und Biozid-Produkten zuständigen niederländischen Behörde (College voor de toelating van gewasbeschermingsmiddelen en biociden, CTB) die Bekanntgabe von 84 Dokumenten, die die von dieser Behörde erteilten Genehmigungen für das Inverkehrbringen bestimmter Pflanzenschutzmittel und Biozidprodukte betrafen. Die Gesellschaft Bayer, Inhaberin einer großen Zahl dieser Zulassungen, widersprach dieser Offenlegung, weil diese das Urheberrecht und die Vertraulichkeit von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen verletze.

Im Jahr 2013 genehmigte das CTB die Offenlegung von 35 der 84 beantragten Dokumente mit der Begründung, dass sie Informationen über Emissionen in die Umwelt enthielten4 , und dies obwohl diese Offenlegung den Schutz der Vertraulichkeit von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen beeinträchtigen könne. Nach einer Unionsrichtlinie5 dürfe der Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses der Offenlegung solcher Informationen nämlich nicht entgegengehalten werden.

Sowohl die Bijenstichting als auch Bayer fochten die Entscheidung des CTB vor den niederländischen Gerichten an. Diese befassten daraufhin den Gerichtshof mit mehreren Vorlagefragen, die insbesondere darauf abzielen, zu bestimmen, ob die von der Bijenstichting beantragten Informationen unter den Begriff „Informationen über Emissionen in die Umwelt“ im Sinne dieser Richtlinie fallen, so dass sie offengelegt werden müssten, ohne dass sich Bayer dem mit der Begründung widersetzen könnte, dass diese Offenlegung die Gefahr einer Verletzung der Vertraulichkeit von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen mit sich brächte.

Entscheidungen des EuGH

Der Gerichtshof stellt in seinen beiden Entscheidungen nun klar, was unter „Emissionen in die Umwelt“ und „Informationen über Emissionen in die Umwelt“ bzw. „Informationen, die Emissionen in die Umwelt betreffen“6 im Sinne der in der Rechtssache C-673/13 P anwendbaren Verordnung und der in der Rechtssache C-442/14 anwendbaren Richtlinie zu verstehen ist.

In beiden Urteilen stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass der Begriff „Emissionen in die Umwelt“ u. a. das Freisetzen von Produkten oder Stoffen wie Pflanzenschutzmitteln oder Biozid-Produkten und von in diesen Produkten enthaltenen Wirkstoffen in die Umwelt erfasst, sofern dieses Freisetzen unter normalen oder realistischen Bedingungen der Anwendung des Produkts oder des Stoffes tatsächlich stattfindet oder vorhersehbar ist.

Daher ist dieser Begriff insbesondere weder von den Begriffen „Freisetzen“ und „Ableitung“ zu unterscheiden noch auf Emissionen aus Industrieanlagen (wie beispielsweise Fabriken oder Kraftwerke) zu begrenzen, sondern erfasst auch Emissionen aufgrund der Absprühung eines Produkts – wie eines Pflanzenschutzmittels oder Biozidprodukts – in die Luft oder seiner Anwendung auf Pflanzen, im Wasser oder auf dem Boden. Solche Beschränkungen verstießen nämlich gegen das mit der Verordnung und der Richtlinie verfolgte Ziel einer möglichst umfassenden Verbreitung von Umweltinformationen.

Der Gerichtshof bestätigt auch, dass die Verordnung und die Richtlinie nicht nur Informationen erfassen, die einen Bezug zu tatsächlichen Emissionen haben, d. h. Emissionen, die bei der Anwendung des Pflanzenschutzmittels oder Biozidprodukts auf Pflanzen oder im Boden tatsächlich freigesetzt werden, sondern auch Informationen in Bezug auf vorhersehbare Emissionen dieses Produkts in die Umwelt. Dagegen sind Informationen über rein hypothetische Emissionen, wie beispielsweise Daten aus Versuchen, mit denen die Auswirkungen der Anwendung einer Dosis des Produkts oder Stoffes, die deutlich höher als die höchste Dosis ist, für die die Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wird und die in der Praxis angewendet wird, vom Begriff Informationen über Emissionen in die Umwelt nicht erfasst.

Der Gerichtshof stellt zudem klar, dass der Begriff „Informationen, die Emissionen in die Umwelt betreffen/über Emissionen in die Umwelt“ dahin auszulegen ist, dass er nicht nur die Informationen über die Emissionen als solche erfasst (d. h. Angaben über Art, Zusammensetzung, Menge, Zeitpunkt und Ort der Emissionen), sondern auch die Informationen, die es der Öffentlichkeit ermöglichen, nachzuprüfen, ob die Bewertung der tatsächlichen oder vorhersehbaren Emissionen, auf deren Grundlage die zuständige Behörde das fragliche Produkt oder den fraglichen Stoff zugelassen hat, und der Daten über die mehr oder weniger langfristigen Auswirkungen dieser Emissionen auf die Umwelt zutreffend ist. Insbesondere erfasst diese Wendung Informationen über die Rückstände in der Umwelt nach der Anwendung des betreffenden Produkts und Studien zur Messung der Stoffdrift bei dieser Anwendung, unabhängig davon, ob diese Daten aus (Semi-)Feldstudien, aus Laboruntersuchungen oder aus Translokationsstudien stammen.

In der Rechtssache C-673/13 P hebt der Gerichtshof gleichwohl das Urteil des Gerichts auf, weil das Gericht befunden hat, dass eine Information schon dann unter die Verordnung falle, wenn sie einen „hinreichend unmittelbaren“ Bezug zu Emissionen in die Umwelt aufweise. Der Gerichtshof weist darauf hin, dass sich die Verordnung auf Informationen bezieht, die Emissionen in die Umwelt betreffen, d. h. Informationen, die solche Emissionen betreffen oder Informationen über solche Emissionen darstellen, nicht aber Informationen, die irgendeinen unmittelbaren oder mittelbaren Bezug zu Emissionen in die Umwelt aufweisen. Der Gerichtshof verweist daher die Sache an das Gericht zurück, damit dieses prüft, ob die streitigen Informationen tatsächlich Emissionen in die Umwelt betreffen, und gegebenenfalls über das im Rahmen seines Urteils nicht geprüfte Vorbringen der Parteien entscheidet.