VGH Mannheim: Bürgerbegehren gegen Rathausneubau unzulässig

10.02.2017

Sachverhalt

Die Gemeinde Remchingen (Antragsgegnerin) plant den Bau eines neuen Rathauses auf dem San-Biagio-Platani-Platz. Einwohner der Gemeinde, unter ihnen der Antragsteller, beantragten im Februar 2016 einen Bürgerentscheid über die Frage, ob die Bürger dafür sind, „dass der San-Biagio-Platz in seiner gegenwärtigen Gestaltung erhalten bleibt und nicht durch das geplante ‚Multifunktionsgebäude‘ zerstört bzw. völlig verändert wird". Die Antragsgegnerin lehnte das Bürgerbegehren als unzulässig ab. Den hiergegen gerichteten Antrag des Antragstellers auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 23. Mai 2016 ab (vgl. Pressemitteilung des VG Karlsruhe vom 25.05.2016).

Im Juli 2016 beantragten Remchinger Einwohner, darunter der Antragsteller, einen Bürgerentscheid zu der Frage, ob die Bürger dafür sind, dass bauliche Maßnahmen auf dem San-Biagio-Platani-Platz für die Herstellung des Rathausneubaus „im Rahmen des rechtlich Zulässigen solange nicht ergriffen werden dürfen, bis sowohl abschließend die Rechtmäßigkeit des Rathausneubaus geklärt ist als auch eine Kostenberechnung nach DIN 276 für die umzusetzen beabsichtigten Maßnahmen vorliegt“. Die Antragsgegnerin entschied nicht über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens. Einen Antrag des Antragstellers auf Sicherung des Bürgerbegehrens lehnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 29. August 2016 ab. Das Bürgerbegehren sei verfristet, da es sich ebenfalls gegen die in den Beschlüssen des Gemeinderats vom 25.06.2015 und 17.09.2015 zum Ausdruck kommende Grundsatzentscheidung für den Rathausneubau auf dem San-Biagio-Platani-Platz entsprechend dem Gewinnerentwurf des Planungswettbewerbs richte. Zwar sei es so formuliert, dass es sich lediglich gegen die Vornahme baulicher Maßnahmen auf dem San-Biagio-Platani-Platz zur Herstellung des Rathausneubaus wende, bevor abschließend die Rechtmäßigkeit des Neubaus geklärt sei und eine Kostenberechnung nach DIN 276 vorliege. Eigentliches Ziel sei jedoch ersichtlich, die Baumaßnahmen auf Dauer zu unterbinden (vgl. Pressemitteilung des VG Karlsruhe vom 31.08.2016).

Entscheidung

In beiden Fällen hat der Antragsteller Beschwerde zum VGH eingelegt, die jeweils erfolglos blieb. Im Beschluss zum ersten Bürgerbegehren vom Februar 2016 (1 S 1157/16) führt der VGH aus, das Verwaltungsgericht habe zutreffend angenommen, dass das Bürgerbegehren sich gegen die in den Beschlüssen des Gemeinderats der Antragsgegnerin vom 25.06.2015 und 17.09.2015 zum Ausdruck kommende Grundsatzentscheidung für den Rathausneubau auf dem San-Biagio-Platani-Platz entsprechend dem Gewinnerentwurf des Planungswettbewerbs richte und daher die in der Gemeindeordnung für solche sogenannten kassatorischen Bürgerbegehren zwingend vorgesehene Sechs-Wochen-Frist nach dem Gemeinderatsbeschluss nicht eingehalten habe. Ohne Erfolg mache der Antragsteller mit der Beschwerde geltend, dass die Antragsgegnerin keinen Grundsatzbeschluss zum Rathausneubau, der bürgerentscheidsfähig sei, getroffen, sondern eine „Salamitaktik“ schrittweisen Vorgehens angewandt habe, um die Bürgerbeteiligung leerlaufen zu lassen. Umfangreiche, von Gemeinden betriebene Großvorhaben würden häufig in einem gestreckten Planungsverfahren mit mehreren Planungsstufen verwirklicht, in dem Entscheidungen des Gemeinderats auf mehreren Stufen ergingen. Der Vorwurf einer auf Umgehung der Bürgerbeteiligung gerichteten „Salamitaktik“ der Antragsgegnerin sei nicht gerechtfertigt. Denn jeder „weichenstellende“ Grundsatzbeschluss, der eine Planung einleite oder eine Planungsstufe abschließe, sei bürgerentscheidsfähig.

In dem Beschluss zum zweiten Bürgerbegehren vom Juli 2016 (1 S 1883/16) legt der VGH dar: Das Beschwerdevorbringen, das Bürgerbegehren ziele nicht auf eine Verhinderung des Rathausneubaus, sondern lediglich auf die Verschiebung des Baubeginns, bis der im Bürgerbegehren dargelegte Grad an Rechtssicherheit erreicht sei, um rechtliche und finanzielle Risiken für die Gemeinde zu vermeiden, sei unbegründet. Gegen einen Gemeinderatsbeschluss sei ein Bürgerbegehren nicht nur dann gerichtet, wenn es die uneingeschränkte Aufhebung des Beschlusses bezwecke. Es genüge, dass eine wesentlich andere als die vom Gemeinderat beschlossene Lösung angestrebt werde. Das sei hier der Fall. Das Bürgerbegehren ziele auf eine wesentliche Änderung der Modalitäten der Umsetzung des gemeindlichen Vorhabens mit der Folge, dass die Umsetzung selbst betroffen sei. Das Bürgerbegehren richte sich daher gegen die Gemeinderatsbeschlüsse vom 25.06.2015 und 17.09.2015 und hätte daher die Frist des § 21 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 der Gemeindeordnung einhalten müssen.

Hinweis:

Ein Bürgerbegehren ist der Antrag der Bürgerschaft, dass über eine gemeindliche Angelegenheit, für die der Gemeinderat zuständig ist, eine Abstimmung der Einwohner der Gemeinde (Bürgerentscheid) stattfindet.

Richtet sich ein Bürgerbegehren gegen einen Beschluss des Gemeinderats (sogenanntes kassatorisches Bürgerbegehren), musste es nach § 21 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 2 der Gemeindeordnung Baden-Württemberg in der bis zum 30. November 2015 geltenden Fassung innerhalb von sechs Wochen nach der Bekanntgabe des Gemeinderatsbeschlusses eingereicht sein. Seit dem 1. Dezember 2015 gilt hierfür eine Frist von drei Monaten.