OLG Celle: Anspruch auf Kostenvorschuss auch ohne Abnahme

26.01.2017

Sachverhalt

Der Kläger beauftragte den Beklagten, die Fassade seines Hotels mit einem Wärmeverbundsystem (WDVS) auszustatten. Da bereits während der Erstellung des WDVS dem Kläger Zweifel an der fachgerechten Ausführung auftraten, fand ein gemeinsamer Ortstermin der Parteien mit einem vom Kläger beauftragten Sachverständigen statt. Im Rahmen des Ortstermins zeigte der Sachverständige zahlreiche Mängel auf und empfahl, die gedämmten Flächen an der Ost-und Nordseite des Gebäudes vollständig abzureißen und neu zu dämmen. In einem weiteren Ortstermin ohne den Beklagten wurden noch weitere Ausführungsmängel durch den Sachverständigen festgestellt. Im Oktober 2012 wurde die Ausführung abgebrochen. Mit anwaltlichem Schreiben forderte der Kläger unter Fristsetzung die Beseitigung der von dem Sachverständigen genannten Mängel und Fertigstellung der Arbeiten. Gestützt auf das Gutachten forderte der Kläger nach Fristsetzung einen Kostenvorschuss für die Mängelbeseitigung in Höhe von 50.000 € nebst Feststellung weiterer Ersatzpflicht. Im Hinblick auf die vom Beklagten abgerechneten Arbeiten in Höhe von 57.299,15 € zahlte der Kläger unstreitig 45.200,00 €. Wegen des Restbetrages in Höhe von 12.099,15 € berief sich der Kläger auf das Zurückbehaltungsrecht. Das in der ersten Instanz zuständige Landgericht Hannover (LG Hannover) lehnte einen Anspruch auf Kostenvorschuss gemäß § 637 BGB für die Selbstvornahme ab. Mit der sodann beim OLG Celle eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch aus der ersten Instanz weiter.

Keine Abnahme im Wege sukzessiver Teilabnahmen

Das Gericht stellte zunächst fest, dass es an einer Abnahme der Leistungen des Beklagten nach § 640 BGB fehlt. Eine von dem Beklagten vorgetragene sukzessive Abnahme von Teilleistungen konnte durch die Vernehmung eines Mitarbeiters des Beklagten als Zeugen nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Dies zumal, da der Zeuge im Übrigen auch selbst bekundet hat, dass „etwas Schriftliches zur Abnahme zu diesem Zeitpunkt“ nicht erfolgt sei, dies vielmehr erst geschehen sollte, wenn der komplette Bau fertig war.

Im Abrechnungsstadium keine Abnahme erforderlich

Nach Auffassung des Gerichts steht aber die fehlende Abnahme einem Anspruch auf Kostenvorschuss des Klägers nach § 637 BGB hier nicht (mehr) entgegen, da sich der Vertrag bereits in einem Abrechnungsstadium befindet. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Werklohn trotz berechtigter Abnahmeverweigerung in Fällen fällig, in denen der Besteller nur noch auf Geld gerichtete Gegenansprüche erhebt, so etwa Schadenersatz oder Minderung (vgl. BGH, Urteil v. 15.10.2002 – Az: X ZR 69/01, NJW 2003, 200ff.). Nach Auffassung des OLG Celle sind die vorgenannten Grundsätze des BGH zum Schadenersatz oder Minderung auch auf den hier vorliegenden Fall eines Kostenvorschusses zur Selbstvornahme nach § 637 BGB zu übertragen, da der Kläger damit gleichfalls einen allein auf Geldzahlung gerichteten Anspruch verfolgt. Auch ist der Werkvertrag vor seiner endgültigen Fertigstellung abgebrochen worden, sodass ohnehin eine weitere Erfüllung des Vertrages ausscheidet. Insgesamt sieht das Gericht die Voraussetzungen eines Vorschussanspruchs trotz der nicht feststellbaren Abnahme nach § 640 BGB als erfüllt an.

Kein Vorschussanspruch, wenn Geldbetrag auf eine andere Weise erlangt werden kann

Wie schon das erstinstanzlich zuständige LG Hannover verneint auch das OLG Celle die Voraussetzungen eines Vorschussanspruchs in Höhe des durch den Kläger zurückbehaltenen Betrages von 12.099,15 €. Insoweit nämlich kann sich der Kläger als Besteller – statt sich auf ein Zurückbehaltungsrecht zu berufen – in erster Linie durch Aufrechnung mit dem Vorschussanspruchs befriedigen.

Die weitere Frage, ob dem Kläger darüber hinaus noch ein Anspruch zustehen kann, sieht das OLG Celle durch das erstinstanzlich zuständige LG Hannover als verfahrensfehlerhaft nicht aufgeklärt. Im Ergebnis bedarf es hierzu nach Ansicht des Gerichts noch einer weiteren und umfangreichen Beweisaufnahme, sodass der Rechtsstreit unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils hierzu nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO an das erstinstanzliche LG Hannover zurück zu verweisen war.