VerfGH NRW: Solidaritätsumlage verfassungsgemäß

22.09.2016

Die Beschwerdeführerinnen hatten geltend gemacht, durch ihre Heranziehung zur Solidaritätsumlage würden ihnen unter Verstoß gegen die verfassungsrechtlich gewährleistete kommunale Finanzhoheit insgesamt 775,523 Mio. Euro entzogen, die ihnen durch Bundesrecht zugewiesen seien. Hierzu fehlten dem Landesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz und die materiell-rechtliche Befugnis. Ferner verstoße die konkrete gesetzliche Ausgestaltung der Solidaritätsumlage gegen das Nivellierungs- bzw. Übernivellierungsverbot, das Übermaßverbot und das Gebot interkommunaler Gleichbehandlung.

In der mündlichen Urteilsbegründung führte die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs unter anderem aus:

Die Bestimmungen zur kommunalen Finanzausstattung in Art. 106 Abs. 5 bis 6 des Grundgesetzes seien nicht verletzt. Mit der Solidaritätsumlage werde nicht auf bestimmte kommunale Steuererträge zugegriffen, sondern den betroffenen Gemeinden eine aus ihren Haushalten zu erfüllende allgemeine Zahlungspflicht auferlegt. Das Umlageaufkommen fließe in Form von Konsolidierungshilfen für Gemeinden in einer besonders schwierigen Haushaltssituation in den kommunalen Raum zurück.

Aus Art. 79 Satz 2 der Landesverfassung NRW, wonach das Land im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit einen übergemeindlichen Finanzausgleich zu gewährleisten habe, ergebe sich nicht, dass dieser Ausgleich nur mit Landesmitteln erfolgen dürfe. Eine Sperrwirkung gegenüber interkommunalen Finanzausgleichsinstrumenten entfalte die Vorschrift jedenfalls dann nicht, wenn sich das Land – wie in dem hier in Rede stehenden Zeitraum – in einer angespannten Haushaltssituation befinde.

Interkommunale Finanzausgleichsumlagen, die wie die Solidaritätsumlage darauf gerichtet seien, den Empfängerkommunen finanzielle Hilfen zur Haushaltssanierung zu gewähren, stünden zwar in einem problematischen Spannungsverhältnis zu dem Grundsatz kommunaler Selbstverantwortung, der das kommunale Selbstverwaltungsrecht und den übergemeindlichen Finanzausgleich präge. Angesichts anhaltender Defizite und der Überschuldungen der Haushalte zahlreicher nordrhein-westfälischer Gemeinden seien die aus dem Aufkommen der Solidaritätsumlage mitfinanzierten Konsolidierungshilfen jedoch zum Schutz der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie vor einer Erosion ihrer materiellen Grundlagen ausnahmsweise zulässig. Deshalb sei den umlagepflichtigen Gemeinden die ihnen auferlegte finanzielle Belastung auch zumutbar.

Das interkommunale Gleichbehandlungsgebot und das Verbot der Nivellierung/Über­nivellie­rung kommunaler Finanzkraftunterschiede seien nicht verletzt. Insbesondere sei es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nur nachhaltig abundante Gemeinden, die selbst keine Konsolidierungshilfen erhalten, herangezogen würden und eine Anrechnung der Solidaritätsumlagebelastung auf die Kreis- bzw. Landschaftsumlage nicht vorgesehen sei.

Beschwerdeführerinnen waren die Städte Attendorn, Bad Honnef, Blomberg, Borgholzhausen, Drolshagen, Düsseldorf, Elsdorf, Ennepetal, Erwitte, Espelkamp, Frechen, Freudenberg, Grevenbroich, Gronau, Haan, Halle (Westf.), Harsewinkel, Hilchenbach, Hilden, Kempen, Kreuztal, Langenfeld (Rheinland), Lennestadt, Linnich, Meckenheim, Meerbusch, Meinerzhagen, Monheim, Neuenrade, Neuss, Oelde, Olsberg, Plettenberg, Ratingen, Rheda-Wiedenbrück, Rheinberg, Rietberg, Schloß Holte-Stukenbrock, Sendenhorst, Stadtlohn, Straelen, Verl, Wermelskirchen, Werther (Westf.), Wetter, Wiehl, Willich, Wülfrath sowie die Gemeinden Alpen, Altenberge, Burbach, Ense, Erndtebrück, Everswinkel, Heek, Herzebrock-Clarholz, Hövelhof, Inden, Jüchen, Kirchhundem, Kirchlengern, Langenberg, Neunkirchen, Odenthal, Rödinghausen, Roetgen, Schalksmühle, Steinhagen, Wachtberg, Wachtendonk, Wenden und Wilnsdorf.