OLG Frankfurt: Kein Kündigungsrecht wegen Annahmeverzugs bei falscher Leistung

12.04.2016

Die Auftraggeberin (AG) ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Auftragnehmer (AN) ist ein Unternehmen auf dem Gebiet der Haustechnik mit Schwerpunkt Installation und Sanierung von Trinkwasserleitungen. Die Rohrinnensanierung der Trinkwasserleitungen sollte gemäß Angebot des AN nach dem sog. LSE-System erfolgen. Danach sollte nach Glattschleifen der Rohre von innen nach deren Aufwärmung das Epoxidharz LSE-001 zur Innenbeschichtung eingeblasen werden. Das Angebot beinhaltet den Hinweis, dass der AN die Zulassung nach Leitlinie A1 des Umweltbundesamtes für das Epoxidharz Typ LSE-0001 NA besitzt. Ferner nimmt das Angebot Bezug auf die "derzeit gültige VOB/B" und unter der Bemerkung "Gewährleistung" auf § 13.1 VOB/B. Dieses Angebot wurde von der AG angenommen. Als Arbeitsbeginn war der 15. August 2011 vereinbart. Die AG stoppte den Arbeitsbeginn mit der Begründung, dass das Gesundheitsamt Frankfurt das Verfahren der Beschichtung der Trinkwasserrohre vom Gesundheitsamt als "kritisch ansehe“ und "derzeit keine allgemeinen Regeln der Technik für das Verfahren zur Verfügung stünden." Die AG setzte eine Frist zur Vorlage eines Nachweises über gesundheitliche Unbedenklichkeit des Verfahrens und teilte mit, dass sie nach Fristablauf nicht mehr an den Vertrag gebunden sei. Nach Fristablauf lehnte die AG die Entgegennahme der Leistung ab und verweigerte dem AN den Zugang zur Liegenschaft. Im Anschluss erhielt der AN und auch die AG vom Wasserversorger ein Schreiben, in dem der AN aufgefordert wurde, die Sanierung häuslicher Trinkwasserleitungen durch eine Epoxidharz-Beschichtung zu unterlassen. Die Parteien streiten um Ansprüche aus der Beendigung eines Vertrages über die Rohrinnensanierung der Trinkwasserleitungen in der Wohnungseigentümergemeinschaft. Das Landgericht hat der Zahlungsklage der AG ganz überwiegend stattgegeben und die Widerklage des AN abgewiesen.

Die Berufung des AN weist das OLG als unbegründet zurück. Der AN hat gegen die AG keine Zahlungsansprüche aus dem Vertrag. Umfang und Gegenstand der Leistungspflichten der Beklagten ergeben sich aus dem zwischen den Parteien aufgrund des Angebotes des AN und der darauf bezogenen Annahmeerklärung der AG geschlossenen Werkvertrags. Dabei hatten die Parteien einen Fixtermin für den Beginn der Sanierungsmaßnahme vereinbart und Bezug auf Regelungen der VOB/B genommen. Der Vertrag unterliegt hier jedoch den allgemeinen Regeln des Zivilrechts und nicht der VOB/B, da diese nicht wirksam in Vertrag einbezogen wurde. Da es sich bei der AG aber um eine aus natürlichen Personen bestehende Wohnungseigentümergemeinschaft handelt, für die von einer Vertrautheit mit dem VOB/B-Regelwerk nicht ohne weiteres ausgegangen werden kann, wäre es für die Vereinbarung des VOB/B-Regelwerks erforderlich gewesen, dass diese von dem AN vor Vertragsabschluss in die Lage versetzt worden war, sich in geeigneter Weise Kenntnis von der VOB/B zu verschaffen, z. B. durch Übermittlung des Regelwerks oder Erläuterung vor Vertragsschluss.

Dem AN stehen die widerklagend geltend gemachten Vergütungs- und Schadensersatzansprüche nicht nach §§ 643, 642 BGB i. V. m. 654 Abs. 1 Satz 2 und 1 BGB oder aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten zu.Der AN war nicht zur Kündigung des Vertrages nach § 643 BGB berechtigt, da die AG durch die Versagung des Zutritts zur Wohnungseigentümeranlage am vereinbarten Ausführungstag nicht in Annahmeverzug war (§§ 293, 294 BGB). Denn der AG war die Leistung nicht so angeboten worden, wie sie sie nach dem Vertrag zu bewirken war (§ 294 BGB). Das streitgegenständliche Verfahren zur Rohrinnensanierung entsprach zu diesem Zeitpunkt nicht den vertraglich festgelegten Anforderungen für die Leistung. Denn danach schuldete der AN die Rohrinneninnensanierung mit einem Werkstoff, der auf der Leitlinie A 1 des Umweltbundesamts als unbedenklicher Werkstoff ausgewiesen ist und anderseits nach einem Verfahren, das den Anforderungen der Trinkwasserverordnung bezogen auf die Leistungszeit im August 2011 entsprach.

Praxishinweis:

Dieser Fall verdeutlich, dass AN nicht berücksichtigen, dassder bloße Bezug auf die Regelungen der VOB/B in Angebotsschreiben oftmals nicht ausreichend ist. Insbesondere, wenn der Vertragspartner „Verbraucher“ i.S.d. § 13 BGB ist, sollte dieser vom AN vor Vertragsabschluss in die Lage versetzt werden, sich in geeigneter Weise Kenntnis von der VOB/B zu verschaffen. Um dem Auftraggeber wegen Annahmeverzug kündigen zu können, muss der Auftragnehmer die vertraglich geschuldete Leistung anbieten.