OLG Schleswig: Mängelansprüche vor Abnahme im Bauvertrag nach BGB?

29.03.2016

Die Auftragnehmerin (AN) verlangt restlichen Werklohn für die Erneuerung einer Terrasse sowie weitere Maurerarbeiten am Grundstück des Auftragnehmers (AG). Der AG macht ein Kostenvorschussanspruch für Mängelbeseitigung geltend. Dem zugrunde liegt ein Bauvertrag über Terrassen- und Maurerarbeiten. Die AN unternahm den Versuch, die Arbeiten vertragsgerecht durchzuführen. Dies gelang trotz dreier Nachbesserungsversuche nicht; zu einer Abnahme der Arbeiten der AN kam es nicht. Die AN trat an den AG heran, um eine Abnahme durchzuführen, was dieser ablehnte. Daraufhin übersandte die AN unter dem 09.12.2010 ihre Schlussrechnung, endend mit einem Betrag von 23.796,08 €, der Klagforderung. Der AG verlangt im Rahmen einer Widerklage Kostenvorschuss für Mängelbeseitigungsarbeiten. Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.

Das OLG gibt dem AG Recht: Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Ein etwaiger Werklohnanspruch der AN sei jedenfalls mangels Abnahme und/oder Herstellung eines abnahmefähigen Werkes nicht fällig. Nach den erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten stehe fest, dass die Werkleistung der AN - namentlich die Erstellung der Terrasse - ganz erhebliche Mängel aufweist, das Werk damit auch nicht ansatzweise abnahmefähig ist. Dies trotz verschiedener Nachbesserungsversuche der AN, die „an sich“ gescheiterte Herstellungsversuche waren. Zwar greifen die §§ 634 ff. BGB „an sich“ erst ein, wenn das fertig gestellte und abgenommene Werk mangelhaft ist. Grundsätzlich werden die Rechte des Bestellers während der Phase der Herstellung des Werkes oder die Ansprüche bei nicht rechtzeitiger Ablieferungnicht erfasst. Allerdings soll der Besteller in Ausnahmefällen auch schon im Stadium vor der Abnahme oder dem Eingreifen einer Abnahmefiktion Rechte aus den §§ 634 ff. BGB geltend machen können. Nach Auffassung des Gerichts stehe hier die fehlende Abnahme hier der Geltendmachung eines Vorschussanspruches nicht entgegen. Die Frage, ob ein Vorschussanspruch auch vor Abnahme besteht, ist zwar nicht unumstritten, sie wird aber - soweit ersichtlich - für bestimmte (enge) Ausnahmefälle von einer im Vordringen befindlichen Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und dem Schrifttum, der sich der Senat anschließt, bejaht. Einer der Ausnahmefälle, in denen ein Vorschussanspruch trotz fehlender Abnahme als berechtigt angesehen wird, ist, wenn der Unternehmer ein aus seiner Sicht fertiggestelltes und mangelfreies Werk abliefert, der Besteller jedoch wegen Mängeln zu Recht die Abnahme des Werkes verweigert und offensichtlich ist, dass der Unternehmer die Mängel nicht mehr wird beseitigen können bzw. nicht gewillt ist, die notwendigen Mängelbeseitigungsmaßnahmen zu ergreifen. Genauso lag der Fall hier. Die von der AN angebotene Mängelbeseitigung ist offensichtlich unzulänglich gewesen. In einem solchen Fall kann der Besteller sich auch vor erfolgter Abnahme auf die nach Abnahme bestehenden Mängelrechte stützen, weil der - dann - noch bestehende Erfüllungsanspruch keinen geringeren Schutz verdient als ein Anspruch auf Nacherfüllung und der Besteller nicht gezwungen sein kann, eine mangelhafte Leistung u. a. mit der Folge der Beweislastumkehr für das Vorliegen von Mängeln abzunehmen, um sodann erst sein Recht auf Selbstvornahme durchsetzen zu können. Der Besteller ist damit nicht auf die Geltendmachung der Rechte aus den §§ 280 ff., 323 ff. BGB beschränkt.

Praxishinweis:

Die Entscheidung ist zutreffend und entspricht herrschender Meinung in der Literatur und Rechtsprechung. Die Frage ist jedoch bislang nicht höchstrichterlich entschieden. Bei einem VOB/B Vertrag stellt sich die Problematik nicht, da § 4 Abs. 7 S. 1 VOB/B den Fall regelt, dass Mängel vor Abnahme auftreten. Auch in diesem Fall ist der AN verpflichtet, diese Mängel zu beseitigen. Da es sich bei dem Zeitraum vor Abnahme um den Erfüllungszeitraum handelt, handelt es sich folgerichtig um einen originären Erfüllungsanspruch.