VGH Mannheim: Bebauungsplan ist unwirksam, wenn Stadt den Verkehrslärm unzureichend ermittelt

05.11.2015

Der Bebauungsplan setzt für einzelne bebaute und im Übrigen unbebaute Flächen im Ortsteil Weiler der Antragsgegnerin ein allgemeines Wohngebiet fest. Das Plangebiet wird im Norden von der Einsteinstraße und im Osten von der Ringstraße begrenzt. Als Haupterschließungsstraße dient die Röntgenstraße, für deren im Wesentlichen zentralen Verlauf durch das Plangebiet eine neue Straßenverkehrsfläche festgesetzt wird. Nach einer von der Antragsgegnerin eingeholten verkehrsplanerischen Stellungnahme sei mit 454 Kfz-Fahrten/Werktag aus dem Baugebiet zu rechnen, die alle über die Röntgenstraße in die Kelterstraße führten. Der Eigentümer eines bebauten Grundstücks im Plangebiet (Antragsteller) wandte mit seinem Normenkontrollantrag u.a. ein, das Ausmaß der durch die Planung verursachten Verkehrslärm-Immissionen sei nicht hinreichend ermittelt worden. Der VGH ist dieser Auffassung gefolgt.

Die Antragsgegnerin habe gegen ihre im Baugesetzbuch verankerte Pflicht verstoßen, bei der Aufstellung eines Bauleitplans die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind, zu ermitteln und zu bewerten. Setze ein Bebauungsplan neben einem Wohngrundstück eine neue Straßenverkehrsfläche fest, sei regelmäßig zu ermitteln, welche Schallimmissionen konkret zu erwarten seien. Dem Gemeinderat der Antragsgegnerin habe beim Beschluss des Bebauungsplans aber keine verlässliche Abschätzung der Verkehrslärm-Immissionen vorgelegen. Dieser Ermittlungsfehler sei für die Wirksamkeit des Bebauungsplans beachtlich, da er offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sei. Denn es bestehe die konkrete Möglichkeit, dass die Planung ohne diesen Mangel anders ausgefallen wäre. Eine erst während des Normenkontrollverfahrens von der Antragsgegnerin eingeholte schalltechnische Untersuchung zeige zwar, dass der prognostizierte Verkehrslärm gesetzliche Grenzwerte und städtebauliche Orientierungswerte nicht überschreiten würde. Es stehe aber jedem Plangeber frei, im Rahmen der Abwägung auch ein höheres Maß an Schutz vor Verkehrslärm-Immissionen zu gewähren. Da sich der Gemeinderat mit dem Verkehrslärm nicht hinreichend beschäftigt habe, sei jedoch nicht erkennbar, welches konkrete Maß an Verkehrslärm-Immissionen er im Plangebiet für zumutbar gehalten habe. Zudem bestünden Zweifel, ob die in der verkehrsplanerischen Stellungnahme und in der schalltechnischen Untersuchung zugrunde gelegte Anzahl von Kfz-Fahrten richtig sei.

Der Ermittlungsfehler sei auch weiterhin rechtlich beachtlich, weil der Antragsteller ihn rechtzeitig innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans schriftlich gegenüber der Stadt geltend gemacht habe. Da sich der Ermittlungsfehler auf die gesamte Erschließung und/oder die Ausrichtung und Dimensionierung der überbaubaren Flächen im Plangebiet auswirke, führe er zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans und auch der zusammen mit diesem beschlossenen örtlichen Bauvorschriften.