VG Köln: Keine Pflicht des öffentlichen Auftraggebers zur Einholung von „Ersatzangeboten“

15.10.2015

Im Rahmen eines Zuwendungsbescheides wurde der Klägerin, die im Bereich des Zuwendungsrechts tätig ist, eine nicht rückzahlbare Zuwendung in Höhe von bis zu 558.847,98 € u.a. aus Bundesmitteln gewährt. Unter dem Punkt "Allgemeine Nebenbestimmungen" führte der Bescheid u.a. aus, dass als Vergabeart unter gewissen Voraussetzungen freihändige Vergaben zulässig seien. Dies seien "Verfahren, bei denen sich die Auftraggeber mit oder auch ohne Teilnahmewettbewerb grundsätzlich an mehrere Unternehmen wenden, um mit einem oder mehreren über die Auftragsbedingungen zu verhandeln (vgl. § 3 VOL/A). Hierbei sollen grundsätzlich mindestens drei Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Bei einem Auftragswert über 5.000,00 Euro sind schriftliche (s.o.) Angebote einzuholen." Zudem wurde festgestellt, dass ein Vergabevermerk gemäß § 20 VOL/A stets zu erstellen sei. Ferner findet sich unter dem genannten Punkt ein Passus zu Honorarzahlungen: "Aufträge, die auf Honorarbasis abgewickelt werden sollen, müssen nach Maßgabe der Vergabevorschriften (siehe ANBest-P Nr. 3) vergeben werden. Der Nachweis zur Markterkundung ist zu erbringen." Die Klägerin führte daraufhin eine freihändige Vergabe eines Auftrags für Veranstaltungsorganisation durch und forderte unter Fristsetzung drei selbständige Dienstleister zur Abgabe eines Angebots hinsichtlich des Auftrags auf. Zwei der Bieter sagten ab und eine Bieterin gab erfolgreich ein Angebot ab. Es kam zum Abschluss eines Werkvertrags mit der Auftragnehmerin. Die Zuwendung wurde seitens der Beklagten ausgezahlt. Die Beklagte hörte die Klägerin wegen möglicher Vergaberechtsverstöße zu einem teilweisen Widerruf des Zuwendungsbescheids an und nannte hierbei als Rechtsgrundlagen § 49 Abs. 3 Nr. 2 und § 49a Abs. 1 und 2 VwVfG. Der Zuwendungsbescheid wurde teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit in Höhe von 1.200,00 € widerrufen und insoweit eine Erstattung geltend gemacht. Der Bescheid wurde damit begründet, dass nur zwei der drei angefragten Dienstleister über ein einschlägiges Leistungsspektrum verfügt hätten und die dritte Bieterin von vornhinein nicht in Frage gekommen sei. Demnach seien effektiv nur zwei Bieter angefragt worden. Es hätte ein "Ersatz-Bieter" angefragt werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei letztlich nur ein Angebot eingeholt worden. Die Klägerin hat die Aufhebung des Bescheides beantragt.

Mit Erfolg, denn das Gericht hat entschieden, dass der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO)verletzt. Die Anforderungen an das Vergabeverfahren in der hier gewählten und bezüglich der Verfahrenswahl zwischen den Beteiligten nicht streitigen Form der freihändigen Vergabe sind in § 3 der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen - Teil A (VOL/A) vom 20. November 2009 niedergelegt. Nach § 3 Abs. 1 Satz 3 VOL/A sind freihändige Vergaben Verfahren, bei denen sich die Auftraggeber mit oder auch ohne Teilnahmewettbewerb grundsätzlich an mehrere ausgewählte Unternehmen wenden, um mit einem oder mehreren über die Auftragsbedingungen zu verhandeln.Die Klägerin hat nicht gegen die Vorgaben des § 3 VOL/A - Teil A verstoßen, denn es erfolgten Anfragen an drei Unternehmer, mit denen sie diese unter Beifügung der vollständigen Vergabeunterlagen zu schriftlichen Angeboten aufforderte. Nicht erforderlich ist nach dem Wortlaut, dass auch sämtliche - und nicht wie hier geschehen nur ein - Unternehmer positive, d.h. zusagende Angebote abgeben. Eine solche Anforderung wie auch ein Erfordernis der Einholung weiterer "Ersatzangebote" nach Absage eines oder mehrerer Unternehmer ergibt sich auch nicht aus dem für die Auslegung zusätzlich maßgeblichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. November 2007 - 6 C 1.07, Buchholz 402.5 WaffG Nr. 94 Rn. 36 = NVwZ 2008, 906) Sinnzusammenhang der vergaberechtlichen Bestimmungen. Dass zwei der angefragten Bieter abgesagt haben, fällt als Tatsache an sich nach den obigen Grundsätzen nicht in die Verantwortungssphäre der Klägerin. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die grundsätzliche Auswahl der angefragten Dienstleister nicht zu beanstanden ist. Nach Absage der beiden genannten Unternehmer war die Klägerin nach den obigen Grundsätzen auch nicht gehalten, weitere Dienstleister zur Angebotsabgabe aufzufordern und hierfür gegebenenfalls die gesetzte Abgabefrist von fünf Arbeitstagen hinaus zu verlängern. Denn eine solche Obliegenheit hatte die Klägerin, ohne dass hiermit eine Aussage über die Vereinbarkeit mit den vergaberechtlichen Grundsätzen der Nichtdiskriminierung, der Transparenz und des Wettbewerbs getroffen wäre, im gegebenem Einzelfall nicht. Dem steht nämlich ebenfalls die oben ausgeführte Maßgabe entgegen, in vertretbarer Zeit und mit angemessenem Verwaltungsaufwand zu einer Vergabeentscheidung zu kommen; die Ausgestaltung des Verfahrens unterliegt einem weiten Spielraum der Vergabestelle (vgl. Kaelble/Müller-Wrede, in: Müller-Wrede, VOL/A, 4. Aufl. 2014, § 3 Rn. 12).

Praxishinweis:

Gerade weil bei der freihändigen Vergabe der Wettbewerb am stärksten eingeschränkt ist, soll diese Vergabeart nur in besonderen Ausnahmefällen angewendet werden. Wenn jedoch die Voraussetzungen zur Durchführung einer freihändigen Vergabe vorliegen, eröffnet diese dem Auftraggeber eine große Flexibilität bei der Gestaltung des Vergabeverfahrens und bietet außerdem die Möglichkeit, Verhandlungen mit den Bietern über den Auftragsinhalt, die Anforderungen, die Ausführung und den Preis zu führen. Ein vorgeschalteter Teilnahmewettbewerb ist nicht zwingend notwendig. Dem Auftraggeber ist es aber freigestellt einen Teilnahmewettbewerb durchzuführen. Trotz der Flexibilität ist es wichtig, dass die Vergabegrundsätze des Wettbewerbs und der Gleichbehandlung und der Transparenz vom Auftraggeber eingehalten werden.