EuGH: Der Ausschluss eines Bieters auf Basis nicht bekannt gemachter Gründe ist auch bei einer Vergabe unterhalb der EU-Schwellenwerte nicht rechtmäßig

26.08.2015

Ein öffentlicher Auftraggeber leitete ein Online-Ausschreibungsverfahren zur Vergabe eines Auftrags über die Lieferung von Computersystemen und Computerhardware ein. Der geschätzte Wert des Auftrags belief sich auf 259.750 rumänische Lei (RON) ohne Mehrwertsteuer. Dieser Betrag entspricht ungefähr 58. 600 Euro.In den Vergabeunterlagen wird unter anderem gefordert, der nachgefragte Prozessor müsse "mindestens" einem solchen des Typs "Intel Core i5 3,2 GHz oder gleichwertig" entsprechen.Der spätere Kläger bietet einen Prozessor der Marke AMD mit Taktfrequenzen von 3,6 GHz bzw. 3,9 GHz an. Der Auftraggeber schließt das Angebot mit der Begründung aus, dieses entspreche nicht den technischen Spezifikationen der Ausschreibung. Zu diesem Ergebnis war der öffentliche Auftraggeber gelangt, nachdem er infolge eines Besuchs der Webseite der Marke Intel festgestellt hatte, dass Prozessoren des Typs Core i5 mit einer Taktfrequenz von 3,2 GHz der ersten und zweiten Generation (Core i5-650) von diesem Hersteller nicht mehr produziert und nicht mehr unterstützt würden, obgleich sie im Handel nach wie vor verfügbar seien, und dass es sich beim nunmehr von diesem Hersteller produzierten Prozessor desselben Typs mit einer Taktfrequenz von mindestens 3,2 GHz um den Prozessor der dritten Generation handle. Im Vergleich mit diesem Prozessor der dritten Generation, der leistungsstärker ist als der von EFS angebotene Prozessor, wurde Letzterer für nicht den technischen Spezifikationen der Ausschreibung entsprechend erklärt. Der spätere Kläger legte Beschwerde ein und machte geltend, dass die Leistungen des in seinem Angebot vorgesehenen Prozessors höher seien als diejenigen des im Rahmen der technischen Spezifikationen der Ausschreibung bezeichneten Prozessors, d. h. des Intel Core i5-650 mit 3,2 GHz.Nachdem die Beschwerde zurückgewiesen worden war, erhob der Kläger des Ausgangsverfahrens Klage gegen diese Entscheidung. Das entscheidende Gericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Kann Art. 23 Abs. 8 der Richtlinie 2004/18 dahin ausgelegt werden, dass dann, wenn der öffentliche Auftraggeber die technischen Spezifikationen des den Auftragsgegenstand bildenden Produkts unter Bezugnahme auf eine bestimmte Handelsmarke festlegt, die Eigenschaften des von einem Bieter angebotenen und als gleichwertig dargestellten Produkts nur auf die Eigenschaften von Produkten bezogen werden dürfen, die von dem Hersteller noch hergestellt werden, dessen Produkt als Referenz für die betreffende technische Spezifikation diente, oder können sie auch auf dem Markt befindliche Produkte dieses Herstellers bezogen werden, deren Produktion eingestellt wurde?

Der Gerichtshof stellte fest, dass die allgemeinen Grundsätze des AEUV, insbesondere diejenigen der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung, auch in Vergabeverfahren unterhalb der EU-Auftragsschwellenwerte Anwendung fänden, sofern an diesen Aufträgen nach objektiven Kriterien ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse bestehe. Ob das der Fall sei, habe das nationale Gericht festzustellen, dies beispielsweise anhand des Volumens des fraglichen Auftrags in Verbindung mit dem Leistungsort oder der technischen Merkmale des Auftragsgegenstands. Dies sei vorliegend trotz des vergleichsweise geringen Auftragswerts aufgrund des Ausschreibungsgegenstands zumindest nicht ausgeschlossen und hänge von weiteren Feststellungen ab. Liege demnach ein grenzüberschreitendes Interesse vor, so sei es dem Auftraggeber auch in einem nationalen Vergabeverfahren strikt verwehrt, sich im Rahmen der Angebotswertung von Bedingungen zu befreien, die er zuvor selbst festgelegt habe. Das aber sei hier festzustellen.

Praxishinweis:

Der EuGH wiederholt im Rahmen der Entscheidung bereits bekannte Grundsätze, nach denen das Primärrecht in Bezug auf Auftragsvergaben nicht schwellenwertabhängig gilt, wenn eine grenzüberschreitende Relevanz des konkreten Auftrags vorliegt. Für die Annahme der Binnenmarkt-Relevanz sind Auftragsgegenstand, Volumen und die mögliche grenznahe Leistungserbringung indiziell.