VG Wiesbaden: Lebensmitteldiscountern dürfen erweitert werden

10.08.2015

Die Firma Aldi betreibt in der Hagenauer Straße seit 1993 einen Discountmarkt mit einer Geschossfläche von inzwischen 1.732 m² mit einer Verkaufsfläche von 978,03 m². Das Sortiment umfasst Lebensmittel, Haushaltsprodukte und diverse Sonderprodukte. Auf dem Grundstück sind 100 Stellplätze vorhanden. Anfang Januar 2013 stellte sie eine Bauvoranfrage, ob die geplante Erweiterung des bestehenden Marktes um ca. 300 m² planungsrechtlich genehmigungsfähig sei.

Die Firma Lidl betreibt in der Friedrich- Bergius- Straße seit 1998 einen Lebensmittelmarkt mit einer Geschossfläche von inzwischen 1.524 m² und einer Verkaufsfläche von 930 m². Das Sortiment mit 1500 Artikeln sei deutschlandweit in allen Verkaufsstellen gleich. Es sind 120 Stellplätze genehmigt. Im April-Mai 2012 beantragte sie, ihr eine Baugenehmigung für die Erweiterung der Verkaufsfläche um ca. 200 m² zu erteilen.

Die Landeshauptstadt Wiesbaden lehnte beide Anträge mit der Begründung ab, dass großflächige Einzelhandelsbetriebe nur in festgesetzten Sondergebieten zulässig seien.

Von ihnen gingen schädliche Umwelteinwirkungen sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich, auf die Entwicklung zentraler Bereiche, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt aus. Diese Auswirkungen seien in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche 1.500 m² überschreite.

Die Klagen der beiden Firmen waren nun erfolgreich. Die beiden Vorhaben widersprechen nach Auffassung des Gerichts nicht den Festsetzungen des dort vorhandenen Bebauungsplans “Äppelallee 1. Änderung 1984-01“, der das Gebiet als Gewerbegebiet ausweist. Die Geschossfläche der beiden Betriebe überschreite bereits heute und damit vor der geplanten Erweiterung die Grenze von 1.500 m², weshalb fraglos von einer Großflächigkeit auszugehen sei.

Es sei in beiden Fällen jedoch eine atypische Situation gegeben. Diese ergebe sich nicht aus betrieblichen Gründen, da die beiden Firmen als Discounter nahezu die gesamte Lebensmittelproduktpalette abdeckten. Es liege aber eine städtebauliche Atypik vor, die sich aus den Besonderheiten des Standortes ergebe. Beide Discounter seien auf autoorientierte Kunden ausgerichtet. In unmittelbarer Nachbarschaft befinde sich ein großflächiger Real- Markt mit einer Mall, von dem eine „Magnetwirkung“ auf die zentralen Versorgungsbereiche ausgehe. Dieser Markt übe zusammen mit den weiteren großflächigen Betrieben im Geltungsbereich des Bebauungsplans schon jetzt einen erheblichen Einfluss auf die Versorgungssituation und die Umsatzverteilung aus, die das gesamte Gebiet beeinflusse. Die geplanten Erweiterungen der Kläger lösten keinen gebietsfremden Verkehr aus, sondern profitierten mit von der Magnetwirkung der großflächigen Betriebe. Die Betriebe deckten den weitaus größten Teil des Bedarfs der Einwohner des Gebietes ab, weil im Zentrum kein entsprechendes Angebot bestehe und auch nicht geplant sei bzw. dort nicht die entsprechenden Kapazitäten vorhanden seien.

Von den Betrieben gingen auch keine schädlichen Auswirkungen aus. Es sei zu berücksichtigen, dass beide Discounter seit Jahren die Läden als großflächige Einzelhandelsbetriebe mit einer Fläche von über 1.500 m² betreiben und der Markt sich hierauf eingestellt hat. Anders als bei einer Neuerrichtung eines Lebensmittelmarktes sei bei einer Verkaufsflächenvergrößerung um ca. 200 m² ohne Sortimentserweiterung nicht mit einer Umorientierung der Kunden und einer relevanten Umsatzumverteilung zu rechnen.

Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Erweiterung der Verkaufsfläche im Vergleich zu dem Verkehrsaufkommen der angrenzenden Betriebe Auswirkungen habe, zumal die beklagte Stadt in diesem Bereich von einer Überversorgung ausgehe. Es sei nicht zu erwarten, dass ein erhöhter Verkehr hervorgerufen werde oder dass der Einzugsbereich der Betriebe erweitert werde. Auch die vorhandene nicht erweiterbare Parkplatzsituation spreche gegen eine Erhöhung des Verkehrsaufkommens. Zukünftige Erweiterungsvorhaben seien schließlich durch das Maß der baulichen Nutzung im Bebauungsplan begrenzt. Eine Erweiterung der Verkaufsfläche sei nicht mit einer Sortimentserweiterung verbunden. Dieses Argument der Kläger habe schon deshalb nicht entkräftet werden können, weil es sich aus dem bundesweit einheitlichen Konzept der Kläger ergibt, an jedem Standort ein identisches Sortiment anzubieten. Die Erweiterung diene lediglich zur verbesserten Präsentation der angebotenen Waren durch eine Verkaufsflächenvergrößerung. Nennenswerte Umsatzumverteilungen oder ein zusätzlicher Kaufkraftabfluss aus den zentralen Versorgungsbereichen aus den angrenzenden Ortsteilen Wiesbaden Biebrich oder Schierstein seien nicht zu erwarten.