BGH: Haftet vom Verkäufer beauftragter Ingenieur trotz fehlender Vertragsbeziehung auch gegenüber dem Grundstückskäufer?

31.07.2015

Eine Stadt beauftragte ein Ingenieurbüro (I) mit Leistungen für die Baumaßnahme "Baureifmachung Gewerbegebiet H., Geländeregulierung". Gegenstand des Vertrags waren die Vor-, Entwurfs-, Genehmigungs- sowie Ausführungsplanung, die Vorbereitung und das Mitwirken bei der Vergabe sowie die Bauoberleitung und die örtliche Bauüberwachung. Gemäß § 2 Nr. 2.2.1 des Ingenieurvertrags waren bei den Leistungen des I die Hinweise eines Baugrundgutachtens zu berücksichtigen. Die Planung des I sieht eine Bodenverdichtung durch das Verfahren "dynamische Intensivverdichtung" vor. Mit der Ausführung der von I geplanten Bodenverbesserungsmaßnahmen wurde eine ARGE beauftragt. Der mit der Ausführung beauftragte Unternehmer erhob Bedenken im Hinblick auf den vorhandenen Boden und warnte vor Setzungen. Ungeachtet dieser Bedenken bestand die Stadt auf der vorgesehenen Ausführung. Der Erwerber der Fläche verlangt von I Schadensersatz wegen mangelhafter Ingenieurleistungen im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Bodenverbesserung der Grundstücksfläche in dem Gewerbegebiet, insbesondere wegen Setzungen, die zur Zerstörung von Erschließungsanlagen, insbesondere Straßen und Leitungen, geführt haben sollen.

Der BGH hat das Urteil des OLG wegen dessen falscher Besetzung aufgehoben. Er erteilte jedoch wichtige Hinweise für das weitere Verfahren: Die Rechte eines in die Schutzwirkung des Vertrags einbezogenen Dritten können nicht weiter gehen als die Rechte des Vertragspartners selbst. Daher muss sich der Dritte das Mitverschulden des Vertragspartners - hier der Stadt - unmittelbar wie eigenes Mitverschulden zurechnen lassen. Ein solches eigenes Mitverschulden der Stadt kommt ernsthaft in Betracht, da die Stadt auf die ihr gegenüber geäußerten Bedenken keine Rücksicht genommen und ungeachtet der ihr grundsätzlich bekannt gewordenen Risiken auf der Bodenverbesserung in der ursprünglich vorgesehenen Weise bestanden hat. Nach der Rechtsprechung des Senats darf der Auftraggeber die Baumaßnahme nicht ohne Weiteres auf der Grundlage offenkundiger Risiken vornehmen lassen, denn der Auftraggeber, dem sich aufgrund der Kenntnis tatsächlicher Umstände eine bestimmte Gefahrenlage aufdrängen muss, verstößt regelmäßig gegen die in seinem eigenen Interesse gemäß § 254 Abs. 1 BGB bestehende Obliegenheit, sich selbst vor Schaden zu bewahren, wenn er die Augen vor der Gefahrenlage verschließt und das Bauvorhaben ohne Weiteres durchführt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 - VII ZR 4/12, BauR 2013, 1472 Rn. 29; Urteil vom 20. Dezember 2012 - VII ZR 209/11, BauR 2013, 624 Rn. 27 f.; Urteil vom 19. Mai 2011 - VII ZR 24/08, NZBau 2011, 483; Urteil vom 10. Februar 2011 - VII ZR 8/10, NZBau 2011, 360). Ferner stellt der BGH in Fortführung der sog. Glasfassadenentscheidung klar, dass der Bauherr sich auch dem Planer gegenüber das Verschulden eines Dritten, dessen er sich zur Erfüllung seiner Mitwirkungs-, Handlungs- und Entscheidungsobliegenheiten bedient, zurechnen lassen muss.Die Rechte des in die Schutzwirkung des Vertrags einbezogenen Dritten können jedoch nicht weiter reichen als die des Vertragspartners selbst, so dass sich der Erwerber unmittelbar nach § 254 Abs. 1, 2 BGB haftungsmindernd entgegenhalten lassen muss, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden der Stadt mitgewirkt oder diese gegen ihre Pflicht zur Schadensminderung verstoßen hat (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1960 - VII ZR 148/59, BGHZ 33, 247, 250).

Praxishinweis:

Die Entscheidungsgründe des BGH befassen sich nur mit dem Mitverschulden der Stadt und nicht mit dem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter. Hiernach erscheint es zweifelhaft, ob dem Erwerber eines Grundstücks nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte unmittelbare Schadensersatzansprüche wegen Mängeln gegen die vom Verkäufer beauftragten Planer und Unternehmer zustehen. Die Entscheidung macht deutlich, dass hierfür kein Bedürfnis besteht, da der Erwerber sich an den Veräußerer halten kann. Soweit der Erwerber seine Rechtsstellung gegenüber dem Planer vom Veräußerer ableitet, muss er sich jedoch auch dessen Mitverschulden zurechnen lassen. Auch wenn die grundsätzliche Schutzwirkung zu Gunsten Dritter bejaht wurde, sollte der Anspruch des Erwerbers sich gegen den Veräußerer richten und nicht gegen den Planer.