BGH: Sicherungsabrede betreffend die Vertragserfüllungs- und Mängelbürgschaft des Auftraggebers in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Ganzen unwirksam

01.06.2015

Die Auftraggeberin (AG) nimmt die Bürgin des Auftragnehmers (AN) aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf Zahlung in Anspruch. Gemäß Bauvertrag sollte eine Flutlichtanlage durch den AN gebaut werden. Danach sollten vier Flutlichtmasten geliefert und montiert werden sowie die Beleuchtung und die Elektroanlagen erstellt werden. Neben der VOB/B waren BVB und ZVB vereinbart. In Ziff. 6.1 der BVB war vorgesehen, dass als Sicherheit für die Vertragserfüllung eine Bürgschaft in Höhe von 5 % der Auftragssumme zu stellen war. Zudem hatte der AN nach Ziff. 6.2 der BVB als Sicherheit für die Gewährleistung eine Bürgschaft in Höhe von 3 % von der Schlussrechnung zu stellen. Für den Fall, dass die Bürgschaft nicht vorliegen sollte, war der AG berechtigt, den entsprechenden Betrag nach Feststellung der Abrechnungssumme einzubehalten. Nach Ziff. 34.6 der ZVB sollte die Urkunde über die Vertragserfüllungsbürgschaft nach vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung zurückgegeben werden, wenn der AN (1) die Leistung vertragsgemäß erfüllt hat, (2) etwaige erhobene Ansprüche (einschließlich Ansprüche Dritter) befriedigt hat und (3) eine vereinbarte Sicherheit zur Gewährleistung geleistet hat. Der AN stellte eine Bürgschaft in Höhe von 62.377,61 € für die Ausführung der Leistung. Noch während der Ausführung der Flutlichtanlage knickte ein Lichtmast ab. Der AN musste ca. 300.000,00 € an den AG zahlen. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des AN wurde die Bürgin in Anspruch genommen.

Das Berufungsgericht hat der Klage der AG stattgegeben und die Bürgin zur Zahlung verurteilt. Diese Entscheidung hat der rechtlichen Überprüfung durch den BGH nicht standgehalten. Dem Bürgen stehen vorliegend gem. § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB die Einwendungen des Schuldners aus der Sicherungsabrede mit dem Gläubiger zu. Hat der Bürge eine Sicherung gewährt, obwohl die Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger unwirksam ist, so kann er sich gegenüber dem Leistungsverlangen des Gläubigers auf die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede und auf die Einrede des Hauptschuldners berufen, das der Gläubiger die Inanspruchnahme des Bürgen zu unterlassen hat.

Die der Vertragserfüllungsbürgschaft zu Grunde liegende Sicherungsabrede in Ziff. 6.1 BVB ist unwirksam, weil sie i.V.m. Ziff. 34.6 ZVB und im Zusammenwirken mit Ziff. 6.2 BVB eine Übersicherung des Auftraggebers für Gewährleistungsansprüche zur Folge hat, die ihm für den nach der Abnahme der Werkleistung liegenden Zeitraum zustehen können. Dies benachteiligt den AN im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG unangemessen. Nach den von der Klägerin gestellten Vertragsbedingungen hat der AN eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Auftragssumme zu stellen, die nicht nur Vertragserfüllungs- und Überzahlungsansprüche, sondern auch Gewährleistungsansprüche absichert. Die Bürgschaftsurkunde wird gemäß Ziff. 34.6 ZVB nach vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung zurückgegeben, wenn der AN vertragsgemäß erfüllt, etwaige Ansprüche befriedigt und eine vereinbarte Sicherheit für die Gewährleistung geleistet hat. Diese Regelung ermöglicht es dem AG, die Vertragserfüllungsbürgschaft auch noch längere Zeit nach der Abnahme zu behalten. Eine vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung durch den AN ist nämlich nicht zwingend, sondern es kann Streit über noch offene Forderungen des AN entstehen, der sich sogar über Jahre hinziehen kann.

Die Klausel soll dem AG nach der maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung das Recht verschaffen, die Vertragserfüllungsbürgschaft so lange zu behalten, bis die Höhe der dem Auftragnehmer zustehenden Forderung feststeht. Auf diese Weise werden jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Gewährleistungsansprüche über die Vertragserfüllungsbürgschaft mit gesichert. Der AN müsste danach u.U. für einen nicht unerheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus wegen möglicher Gewährleistungsansprüche des AG eine Sicherheit von 8% der Auftragssumme leisten. Das ist durch das Sicherungsinteresse des AG nicht mehr gedeckt. Die Klausel in Ziff. 34.6 ZVB kann nicht in einem inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil zerlegt werden. Mit der Streichung der Formulierung über die vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung in Ziff. 34.6 ZVB erhielte die Klausel einen von ihrem ursprünglichen Inhalt grundsätzlich abweichenden Regelungsgehalt, der letztlich zu einer der Intention des Klauselverwenders entgegenstehenden abweichenden Vertragsgestaltung führen würde. Dies hat der BGH bereits mit Urteil vom 01.10.2014 - VII ZR 164/12 - in einem gleich gelagerten Fall entschieden.

Praxishinweis:

Die wiederholt verworfene Regelung stammt aus dem Vergabehandbuch des Bundes, dass in den EVM (B), BVB und EVM (B) ZVB Besondere und Zusätzliche Vertragsbedingungen vorsieht. Gemeinden und andere öffentliche Auftraggeber, die die Regelung des Vergabehandbuchs vereinbaren möchten bzw. vereinbart haben, sollten künftig auf die Formulierung der Sicherungsabrede in den BVB und den ZVB achten. In der vorgenannten Klauselgestaltung ist der AG nach dem BGH bei Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft über 7% und 8% der Auftragssumme bis vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung (Summierung der Sicherheit für Vertragserfüllung und Gewährleistung) übersichert.