VG Gießen: Tätigkeit eines Akteneinsichtsausschusses darf nicht von vornherein zeitlich begrenzt werden.

27.05.2015

Nachdem die Gemeindevertretung den Akteneinsichtsausschuss am 04.11.2014 beschlossen hatte, fasste sie auf Antrag der SPD-Fraktion unmittelbar im Anschluss daran den Beschluss, wonach die Tätigkeit des soeben eingerichteten Akteneinsichtsausschusses mit Ablauf des 26.11.2014 um 24:00 Uhr enden sollte. Das Gericht hält diesen Beschluss für rechtswidrig und führte aus, bei einem Akteneinsichtsausschuss handele es sich um das schärfste Kontrollmittel, das die Hessische Gemeindeordnung der Gemeindevertretung zur Überwachung der gesamten Verwaltung und der Geschäftsführung des Gemeindevorstands zur Verfügung stelle (§ 50 Abs. 2 Satz 2 HGO). Da die Vorschrift gleichzeitig dem Minderheitenschutz in der Gemeindevertretung diene, dürfe die Gemeindevertretung das Ende dieses Ausschusses nicht sogleich wieder durch Mehrheitsbeschluss, der zudem unmittelbar nach dem Einrichtungsbeschluss gefasst werde, beschließen. Zwar könne die Gemeindevertretung nach § 62 Abs. 1 Satz 4 HGO einen einmal von ihr eingerichteten Ausschuss nach Belieben wieder auflösen; dies gelte jedoch nicht in den Fällen, in denen der Ausschuss nur für die Erledigung eines bestimmten Zwecks gebildet worden sei. Die Tätigkeit eines solchen Ausschusses ende erst mit der Erledigung der übertragenen Aufgabe.

Darüber hinaus vertrat das Gericht die Auffassung, dass auch der Beschluss des Akteneinsichtsausschusses selbst, mit dem dieser die Angelegenheit in seiner ersten Sitzung für erledigt erklärt hatte, ohne dass es zu einer Akteneinsicht kommen konnte, rechtswidrig war. Die Gemeindevertretung habe bereits mit dem Beschluss, den Ausschuss einzurichten, anerkannt, dass die Akteneinsicht in bestimmten Angelegenheiten begehrt werde und dass es sich hierbei um einen abgeschlossenen Vorgang handele. Ein darüber hinausgehendes, eigenständiges weitergehendes Prüfungsrecht stehe dem Akteneinsichtsausschuss nicht zu.

Die Fraktion „Bündnis 90/Die Grünen“ habe auch bei dem Verwaltungsgericht um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen dürfen. Sie müsse sich nicht darauf verweisen lassen, dass sie jederzeit erneut einen Antrag auf Einrichtung eines Akteneinsichtsausschusses stellen könne, da damit zu rechnen sei, dass die Gemeindevertretung diesen wiederum, bevor er seine Tätigkeit würde aufgenommen haben, für beendet erklären würde. Ausnahmsweise sei auch eine „Vorwegnahme der Hauptsache“ zu bejahen. Da die nächste Kommunalwahl im März 2016 stattfinden wird, sei nicht ausgeschlossen, dass der Anspruch der Antragstellerin auf Einrichtung des Akteneinsichtsausschusses, würde sie auf das Hauptsacheverfahren verwiesen, für die Wahlperiode, für die sie in die Gemeindevertretung erwählt wurde, ins Leere liefe.