VK Bund: Ein pauschaler Ausschluss der Nachforderung von fehlenden Unterlagen und Nachweisen in den Vergabeunterlagen ist unzulässig.

06.05.2015

Die Antragsgegnerin (AG) machte das beabsichtigte Vergabeverfahren von Schulungsmaßnahmen für acht Schulen im Rahmen eines elektronisch durchgeführten offenen Verfahrens bekannt. Die Leistung war in mehrere Lose aufgeteilt. Streitgegenständlich ist das Los 14. Die Teilnehmer sind auf acht Schulen in insgesamt von der AG vorgegebenen fünf Maßnahmeorten (= Schulungsorte)] verteilt. Teil der Vergabeunterlagen ist ein Vordruck „D.3.2: Räumlichkeiten/Außengelände“, in welchem der Anbieter Angaben zu den Räumlichkeiten zu machen hat, in denen er die Maßnahmen durchzuführen gedenkt. Es wird unterschieden danach, ob der Bieter bereits jetzt über die Räumlichkeiten verfügt oder aber noch nicht. Er hat für jeden vorgegebenen/ausgewählten Maßnahmeort (=Schulungsort) mindestens eine Anschrift anzugeben. Dafür ist eine Tabelle mit insgesamt sieben Spalten in welcher Straße, Postleitzahl und Ort einzutragen waren, vorgesehen. Unter der Tabelle befand sich der Passus: „Sollte die vorgegebene Tabelle für die Anschriften nicht ausreichend sein, bitte den Vordruck mehrfach verwenden.“ Sowohl im Veröffentlichungstext als auch in den Vergabeunterlagen erfolgte der Hinweis, dass eine Nachforderung fehlender Unterlagen und Nachweise im Sinne des § 16 Abs. 2 VOL/A nicht erfolgt. Der Anspruchsteller (AS) dessen Angebot acht Maßnahmeorte (= Schulungsorte) vorsah, hatte dennoch nur die sieben vorgesehenen Tabellenspalten ausgefüllt, die Adresse des achten Maßnahmeortes (= Schulungsortes) fehlte. Die AG informierte den AS gemäß § 101 a GWB darüber, dass sein Angebot nach § 16 Abs. 3 lit. A) VOL/A ausgeschlossen worden ist, weil es nicht alle geforderten bzw. nach geforderten Erklärungen und Nachweise enthalten habe. Der AS habe im Vordruck D. 3.2 den zwingend anzubieten Maßnahmeort (=Schulungsort) nicht angegeben. Nach erfolgloser Rüge leitete der AS wegen des vergaberechtswidrigen Ausschlusses eines Angebotes ein Nachprüfungsverfahren ein.

Der Nachprüfungsantrag des AS war erfolgreich. Ein Ausschluss des Angebotes des AS wegen Fehlens geforderter Erklärungen nach § 16 Abs. 3 lit. A) VOL/A kommt nach Ansicht der Vergabekammer nicht in Betracht. Ein Ausschluss wegen fehlender Erklärungen setze nämlich entweder voraus, dass geforderte, aber fehlende Erklärungen nicht binnen einer angemessenen Nachfrist vom Bieter nachgeliefert werden, oder aber, dass das Ermessen, nicht nachzufordern, in einer Art und Weise ausgeübt wurde, die sich im Rahmen des legitimen Ermessensspielraum hält. Die AG hatte das hier nach § 16 Abs. 2 Satz 1 VOL/A eröffnete Nachforderungsermessen gar nicht ausgeübt. Ein solcher genereller Ausschluss bereits in den Vergabeunterlagen sei mit der Problematik behaftet, dass dann der Einzelfall mit seinen besonderen Umständen nicht berücksichtigt werden könne, da dem konkreten Sachverhalt bei einer schematischen Handhabung im Sinne einer Vorabfestlegung nicht Rechnung getragen werden könne. Um jedoch dem Einzelfall gerecht werden zu können, werde ein Ermessen eingeräumt. Eine pauschale Vorwegnahme des Ermessens zu einem Zeitpunkt, zu dem noch gar nicht absehbar ist, welche formellen Fehler sich möglicherweise ereignen werden, sei vor diesem Hintergrund unzulässig. Das Einräumen eines Nachforderungsermessens bezwecke, einen Angebotsausschluss wegen rein formeller Mängel zu vermeiden. Die AG habe ebenfalls zu berücksichtigen, dass das Formular D.3.2 nur sieben Spalten aufwies und angesichts der Anzahl von acht Schulen das Los 14 nicht optimal gestaltet gewesen sei. Auch wenn in den sieben Formularspalten alle notwendigen Angaben hätten gemacht werden können, so war es dennoch nicht ohne weiteres möglich, acht Räumlichkeiten aufzulisten, wenn für jede Schule eine andere Räumlichkeit genutzt werden sollte. Die Umsetzung des Hinweises auf mehrfache Verwendung des Formulars war im Rahmen eines elektronischen Vergabeverfahrens nicht selbsterklärend, sodass die Ausgestaltung des Formulars somit auch ursächlich für das Defizit des Angebots des AS sei, was in die Ermessensausübung eingestellt werden müsse.

Praxishinweis:

Angebote dürfen nicht alleine wegen fehlender Erklärungen oder Nachweise ausgeschlossen werden. Der AG ist zur Nachforderung verpflichtet und der Bieter muss dem Begehren innerhalb von 6 Kalendertagen (VOB/A) bzw. innerhalb einer angemessenen Nachfrist (VOL/A) nachkommen, sonst ist das Angebot vom Auftraggeber auszuschließen.