EuGH: Keine Verpflichtung aus der Umwelthaftungsrichtlinie zur Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers bei Bodenverunreinigungen

02.04.2015

Nach der Richtlinie über die Umwelthaftung muss der Betreiber eines Geländes grundsätzlich die Kosten der Vermeidungs- und Sanierungstätigkeiten tragen, die als Reaktion auf das Auftreten eines Umweltschadens auf dem Gelände unternommen werden. Allerdings ist der Betreiber nicht verpflichtet, diese Kosten zu tragen, wenn er nachweisen kann, dass der Schaden durch eine andere Person verursacht worden ist. Die Richtlinie gestattet jedoch den Mitgliedstaaten, strengere nationale Regeln in diesem Bereich zu erlassen.

Zwischen 2006 und 2011 wurden die Gesellschaften Tws Automation, Ivan und Fipa Group Eigentümerinnen verschiedener Grundstücke in der Provinz Massa Carrara in der Toskana. Diese Grundstücke waren infolge der von den ehemaligen Eigentümern, die zur Industriegruppe Montedison gehören und die dort Insektizide und Herbizide herstellten, ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten schwer mit chemischen Stoffen verunreinigt. Obwohl die neuen Eigentümerinnen die festgestellte Verschmutzung nicht verursacht hatten, gaben die italienischen Behörden ihnen auf, eine hydraulische Entwässerungsbarriere zum Schutz des Grundwassers zu errichten.

Der Consiglio di Stato (italienischer Staatsrat), der im Rechtsmittelverfahren mit den Klagen gegen die Verwaltungsentscheidungen befasst war, stellte fest, dass nach den italienischen Rechtsvorschriften dem für die Verschmutzung nicht verantwortlichen Eigentümer nicht die Vornahme von Vermeidungs- und Sanierungsmaßnahmen auferlegt werden dürfe und seine finanzielle Haftung auf den Wert seines Grundstücks beschränkt sei. Er fragt den Gerichtshof, ob diese nationalen Regeln mit dem von der Richtlinie durchgeführten Verursacherprinzip vereinbar sind.

In seinem Urteil antwortet der Gerichtshof, dass die italienische Regelung mit den Anforderungen der Richtlinie vereinbar ist.

Um zu diesem Ergebnis zu kommen, weist der Gerichtshof auf die ständige Rechtsprechung hin, wonach sich das Verursacherprinzip, wie es in Art. 191 Abs. 2 AEUV enthalten ist, auf das Tätigwerden der Union bezieht und sich Einzelne oder Verwaltungsbehörden nicht als solche darauf berufen können.

Anschließend nimmt der Gerichtshof eine Prüfung der Voraussetzungen der Umwelthaftung vor, wie sie in der Richtlinie vorgesehen sind, indem er sich insbesondere mit dem Begriff des „Betreibers“ und der Notwendigkeit des Vorliegens eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Tätigkeit des Betreibers und dem Umweltschaden beschäftigt. Hierzu führt der Gerichtshof aus, dass andere Personen als die Betreiber nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen und dass, wenn kein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Umweltschaden und der Tätigkeit des Betreibers hergestellt werden kann, diese Situation nicht nach dem Unionsrecht, sondern nach dem nationalen Recht zu beurteilen ist.

Praxishinweis:

Dieses Urteil steht selbstverständlich nicht den Regelungen des § 4 BBodSchG über die Pflichtigkeit des Grundstückeigentümers für Bodenverunreinigungen entgegen. Zum einen existiert bislang kein spezielles europarechtliches Bodenschutzrecht, das insofern zu beachtende Vorgaben enthalten könnte. Zum anderen erlaubt die Umwelthaftungsrichtlinie explizit strengere nationale Regelungen, also auch die Inpflichtnahme von Personen, die nicht als "Betreiber" einzustufen sind. Mit dem Urteil kommt deshalb lediglich zum Ausdruck, dass die Mitgliedstaaten keine Pflicht trifft, auch Grundstückseigentümer, die nicht Verursacher der Verunreinigung sind (sog. Zustandsstörer) durch nationales Gesetz in die Haftung zu nehmen.