VK Bund: Ein Zuschlag ist bei intransparenter Leistungsbeschreibung nicht möglich.

04.03.2015

Die Auftraggeberin hat Bauleistungen für einen Neubau ausgeschrieben. Mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe hat die Auftraggeberin den Bietern ein detailliertes Leistungsverzeichnis für die Angebotsabgabe übersandt, das auf 558 Seiten, gegliedert in 308 Positionen, die zu erbringenden Leistungen genau beschrieb. Zusätzlich sah das Langverzeichnis unter anderem folgendes vor:

„Abweichende Materialstärken und Funktionalitäten (…) sind mit der Angebotsabgabe bekanntzugeben. Der Auftraggeber behält sich vor, die Qualität der eingesetzten Materialien von einem unabhängigen Prüflabor testen zu lassen.“

Mindestanforderungen in Bezug auf Materialien, Funktionalitäten oder sonstigen Abweichungsmöglichkeiten enthalten die Vergabeunterlagen nicht. Ein Bieter gab fristgerecht ein Angebot ab, meldete jedoch Bedenken an, da einige Positionen des LV aus seiner Sicht in sich nicht konsistent seien. In der Wertung erreichte das Angebot des Bieters den dritten Platz. Als er von der Auftraggeberin informiert wurde, dass er den Auftrag nicht erhalten werde, weil er nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe, rügte er die Entscheidung mit dem Hinweis, dass das Angebot des Meistbietenden mehrere Anforderungen des Leistungsverzeichnis nicht erfüllt haben könne und daraus ein Ausschluss resultieren müsse. Da die Auftraggeberin der Rüge nicht abhalf, wurde ein Nachprüfungsverfahren durch den Bieter eingeleitet. Der Bieter führte aus, dass er durch die Missachtung von zwingenden Ausschlussgründen im Rahmen der Angebotswertung durch die Auftraggeberin sowohl bei dem erstplatzierten, als auch bei dem zweitplatzierten Bieter in seinen Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt werde, da die im Leistungsverzeichnis in einzelnen Positionen zwingend geforderte Qualität die Wettbewerber nicht erbringenkönnten. Auf die von der Auftraggeberin mitgeteilte „Gleichwertigkeit“ komme es bei den Angeboten nicht an, weil das Leistungsverzeichnis konkrete Vorgaben enthalte und keine gleichwertigen Lösungen zulasse. Schlussendlich könne auch der generelle Hinweis in der Leistungsbeschreibung nicht dazu führen, dass eine „Öffnungsklausel“ in der Leistungsbeschreibung zu den abweichenden „Materialstärken und Funktionalitäten“ die festgelegten Anforderungen abmildert.

Die Vergabekammer hat im Rahmen des Beschlusses darauf hingewiesen, dass das Vergabeverfahren auf intransparenten und uneindeutigen Vorgaben in der Leistungsbeschreibung beruht, § 7 EG Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2012. Die Intransparenz hinsichtlich der aufgestellten Vorgaben der Auftraggeberin ergebe sich nach der Vergabekammer daraus, dass einerseits die Auftraggeberin den Bietern ein detailliertes konstruktives Leistungsverzeichnis für die Angebotsabgabe an die Hand gegeben hat, welches auf 558 Seiten in 308 Positionen die zu erbringenden Leistungen beschrieben hat und die Möglichkeit ausgeschlossen hat, Nebenangebote einzureichen und andererseits ausweislich der Beschreibung des Konzeptes im Leistungsverzeichnis und im besonderen Hinweisen zur Kalkulation „abweichende Materialstärken und Funktionalitäten“ zugelassen hat. Nach dem Verständnis der Auftraggeberin sollte hiermit eine Öffnung des ansonsten vom Planer der Auftraggeberin zu einem Großteil auf das System des Bieters zugeschnittenen Leistungsverzeichnis zum zugunsten alternativer Anbieter erreicht werden, um nicht mit dem Gebot der Produktneutralität in Konflikt zu geraten. Mindestanforderungen dahingehend, in welchen Leistungspositionen nach Auffassung der Auftraggeberin Abweichungen möglich sein sollen und in welchem Umfang, enthält das Leistungsverzeichnis jedoch nicht. Bei vordergründiger Betrachtung könnte demnach von allen Leistungspositionen, die Materialien und Funktionalitäten enthalten, abgewichen werden. Dieser offene Widerspruch zum Vorgenannten ließe sich auch nicht durch Auslegung oder durch eine Klarstellung an anderer Stelle der Vergabeunterlagen beseitigen. Die Angebote seien aufgrund völlig unterschiedlicher Ausgangsgrundlagen erstellt worden und seien daher, vergaberechtlich betrachtet, nicht miteinander vergleichbar.

Nach der Hinweiserteilung durch die Vergabekammer versetzte die Auftraggeberin das Verfahren in den Stand vor Versendung der Vergabeunterlagen zurück, um die Vergabeunterlagen entsprechend zu korrigieren.

Praxishinweis:

Auftraggeber sollten bei der Beschreibung der Leistung darauf achten, dass diese so eindeutig und so erschöpfend beschrieben ist, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können (§ 7 EG Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2012). Je detailreicher die Beschreibung des Auftraggebers ist, umso weniger Raum bleibt für allgemeine Hinweise, die die Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung relativieren.