OLG Brandenburg: Ohne Abnahme kann die Gewährleistungsdauer beim Vollarchitekturvertrag unendlich sein.

03.03.2015

In dem entschiedenen Fall beauftragte die Bauherrin im März 1994 den Architekten mit der Erbringung sämtlicher Leistungsphasen des § 15 Abs. 2 HOAI 1996 zur Errichtung eines Einfamilienhauses in Holzbauweise. Im November 1995 wurde das noch unfertige Haus bezogen und noch vor Beginn der Leistungsphase 9 wurde die letzte Teilzahlung auf das Architektenhonorar geleistet. Zwischen den Jahren 1997 und 2011 fanden mehrere Besichtigungstermine mit ausführenden Unternehmen und dem Architekten wegen diverser Mängel am Objekt statt. Im Jahr 2011 leitete die Klägerin ein selbstständiges Beweisverfahren wegen starken Insektenbefalls ein. Der Sachverständige stellte massive Planungs- und Bauüberwachungsfehler fest und schätzte die Mängelbeseitigungskosten auf ca. 150.000 € brutto. Die Klägerin nahm den Architekten auf Grundlage des Gutachtens auf Schadensersatz in Höhe der geschätzten Mangelbeseitigungskosten in Anspruch. Der Architekt berief sich auf Verjährung.

Das Landgericht hat den Architekten zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Verjährung sei nicht eingetreten, da eine konkludente Abnahme zwischen den Parteien nicht stattgefunden habe. Weder sei ein eindeutiger Wille der Parteien für eine Teilabnahme nach der Leistungsphase 8 festzustellen noch habe eine konkludente Abnahme durch rügeloses Benutzen der Bauleistung stattgefunden. Der beklagte Architekt habe nicht hinreichend zur Beendigung der Leistungsphase 9 vorgetragen. Insbesondere sei der Vortrag des Beklagten, die Leistungsphase 9 reiche nur bis zum Ende der Gewährleistungsfristen der bauausführenden Unternehmen und diese habe vorliegend im November 2000 geendet, zum Beginn der Verjährung im November 1995 zu pauschal. Die Verjährungsfrist habe auch nicht unabhängig von einer Abnahme zu laufen begonnen. Konkrete Umstände, nach denen das vertragliche Erfüllungsverhältnis als beendet angesehen werden könnten, ließen sich anhand des Sachvortrages des Beklagten nicht feststellen, zumal es durchweg Aktivitäten des Beklagten in Bezug auf das Bauvorhaben gegeben habe.

Das OLG Brandenburg hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.

Es hat die Auffassung des Landgerichtes bestätigt, dass weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Abnahme der Architektenleistungen stattgefunden habe. Der Schadensersatzanspruch sei somit nicht verjährt. Unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 20.02.2014 (VII ZR 26/12) wird ausgeführt, dass die Vollendung des Werks nicht ausnahmslos Voraussetzung für eine konkludente Abnahme sei, entscheidend sei vielmehr, ob nach den gesamten Umständen das Verhalten des Auftraggebers vom Auftragnehmer so verstanden werden kann, er billige die erbrachte Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäß. Vorliegend wurde jedoch über einen Zeitraum von fast 20 Jahren nach Einzug in das Haus weder jemals Hilfe bei der Freigabe von Sicherheitsleistungen im Verhältnis zu den bauausführenden Unternehmen in Anspruch genommen, noch eine systematische Zusammenstellung von Unterlagen oder der rechnerischen Ergebnisse i. S. d. Leistungsphase 9 des § 15 HOAI 1996 durch den Beklagten erbracht, sodass die Nichterbringung dieser Leistung nicht als wesentlich erachtet werden könne. Auch eine Billigung der Leistung als im Wesentlichen vertragsgemäß könne vorliegend nicht angenommen werden. Der Umstand allein, dass die Gewährleistungsfrist gegenüber dem letzten Bauausführenden abgelaufen ist, könne nicht rechtfertigen, dass die Verjährungsfrist für den Beklagten ausnahmsweise zu laufen begonnen habe (siehe BGH, Urteil vom 24.11.2011 – VII ZR 61/10). Die dahingehende Darlegungs- und Beweislast obliege dem Architekten. Der bloße Verweis auf den Baufertigstellungzeitpunkt reiche für einen hinreichenden Vortrag zum Ablauf der letzten Gewährleistungsfrist gegenüber den Bauausführenden nicht aus. Es obliegt dem Architekten, zu den Abnahmezeitpunkten substantiiert vorzutragen, wenn der Architekt mit der Leistungsphase 8 betraut war, also selbst an den Abnahmen gegenüber den bauausführenden Unternehmen beteiligt war.

Praxishinweis:

Da der Architekt beim Vollarchitekturvertrag nicht bis zu zehn Jahren ab Fertigstellung des Bauwerkes, sondern mindestens zehn Jahre ab diesem Zeitpunkt -haftet, ist es wichtig, dass er eine Teilabnahme nach der Leistungsphase 8 vereinbart oder die Abnahme nach der Leistungsphase 9 herbeiführt und er sich Abnahmetermine und Gewährleistungsabläufe der beteiligten bauausführenden Unternehmer notiert und archiviert.