OVG Lüneburg: Windkraftanlagen im Umfeld der Flugsicherungseinrichtung DVOR “Leine” sind unzulässig – Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

20.01.2015

Dem Berufungsverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger beansprucht die Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung und des Betriebs von vier Windenergieanlagen. Die Anlagen sollen in einer Entfernung von mindestens ca. 1.600 m von einer von der Deutschen Flugsicherung GmbH am Flughafen Hannover betriebenen Flugsicherungseinrichtung (sog. Drehfunkfeuer oder Doppler Very High Frequency Omnidirectional Radio Range - DVOR - "Leine") errichtet werden. Die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH und das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung sprachen sich gegen eine Errichtung der vier Windenergieanlagen aus, weil die Flugsicherungseinrichtung durch diese Anlagen gestört werden könne. Daraufhin lehnte die beklagte Region Hannover die Erteilung des beantragten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids ab.

Das Verwaltungsgericht Hannover hatte die Region Hannover verpflichtet, den beantragten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid bezogen auf eine der Windenergieanlagen zu erteilen und im Übrigen die Klage abgewiesen, weil nur die eine Anlage innerhalb der im Regionalen Raumordnungsprogramm als Vorrangstandort dargestellten Fläche liege. Die Vorschrift in § 18a Abs. 1 Satz 1 LuftVG („Bauwerke dürfen nicht errichtet werden, wenn dadurch Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können") stehe dem nicht entgegen. Das Verwaltungsgericht hatte die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Fragen zugelassen, ob auch die vom Rotor einer Windenergieanlage überstrichene Fläche in einem durch ein Raumordnungsprogramm festgelegten Vorranggebiet liegen müsse und anhand welcher Maßstäbe zu beurteilen sei, ob Flugsicherungseinrichtungen durch Windenergieanlagen gestört werden können. Gegen dieses Urteil hatten die Klägerin und die beigeladene DFS Deutsche Flugsicherung GmbH sowie die beigeladene Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, Berufung eingelegt.

Der 12. Senat hat die Berufung des Klägers, die darauf gerichtet war, einen Vorbescheid auch für die weiteren drei Windenergieanlagen zu erstreiten, zurückgewiesen und auf die Berufungen der Beigeladenen das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Entscheidung des Senats beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen:

Zwar stehen der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der beantragten Windenergieanlagen die Festlegungen des Regionalen Raumordnungsprogramms oder Darstellungen im darauf bezogenen Flächennutzungsplan nicht entgegen. Auf beiden Planungsebenen wird eine Ausschlusswirkung für Windenergienutzung im maßgeblichen Bereich nicht wirksam begründet. Insofern ist die vom Verwaltungsgericht als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, ob auch die vom Rotor einer Windenergieanlage überstrichene Fläche in einem durch ein Raumordnungsprogramm festgelegten Vorranggebiet liegen müsse, nicht entscheidungserheblich.

Allerdings ist die Errichtung der Windenergieanlagen bauplanungsrechtlich unzulässig, weil das Errichtungsverbot des § 18a Abs. 1 Satz 1 LuftVG entgegensteht. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber es dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung übertragen, eine prognostische Beurteilung auf der Grundlage einer gutachtlichen Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation vorzunehmen. Dessen Entscheidung, die - soweit vorhanden - Standards, Empfehlungen und Orientierungshilfen, die sich den Anhängen des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt und sonstigen Dokumenten der ICAO entnehmen lassen, berücksichtigt und zu dem Ergebnis kommt, dass die geplanten Windenergieanlagen die DVOR "Leine" stören können, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Vor dem Hintergrund fehlender normkonkretisierender Maßstäbe und allgemein anerkannter fachlicher Standards ist die Art und Weise der vorgenommenen Prognoseberechnung des Bundesaufsichtsamts nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse gerichtlich nicht zu beanstanden. Von der Einholung eines Sachverständigengutachtens hat der Senat abgesehen. Angesichts der Offenheit der wissenschaftlichen Auseinandersetzung ließe auch ein weiteres Sachverständigengutachten eine verlässliche Antwort nicht erwarten. Der insoweit anzustrebende Erkenntnisfortschritt hängt vielmehr von den Ergebnissen weiterer wissenschaftlicher Studien und Diskussionen ab, die von den Gerichten nicht in Auftrag gegeben werden können.

Der Senat hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zugelassen, anhand welcher rechtlichen Maßstäbe zu beurteilen ist, ob Flugsicherungseinrichtungen durch Windenergieanlagen gestört werden können.