VG Wiesbaden: Eilantrag der Gemeinde Rettert gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windfarm in der Gemeinde Heidenrod ist unzulässig.

07.11.2014

Die Gemeinde Rettert hatte am 26.06.2014 Klage gegen die dem Windparkbetreiber erteilte Genehmigung erhoben und zugleich den Eilantrag anhängig gemacht. Sie vertrat die Ansicht, ihr Recht auf kommunale Selbstverwaltung und ihr Eigentum an besonders beeinträchtigten Grundstücken sei unmittelbar betroffen. Die Genehmigung verletze das interkommunale Abstimmungsgebot. Die 10 Anlagen erzeugten eine besondere Konfliktlage bezüglich der Belange der Gemeinde Rettert. Die planerische Koordinierungsnotwendigkeit folge zudem wegen des besonderen Ausmaßes und der großen Höhe der einzelnen Windräder, die deswegen als raumbedeutsam anzusehen seien. Die am weitesten nördlich geplanten Windenergieanlagen Nrn. 8, 9 und 12 befänden sich in der bedeutsamen Pufferzone des Limes und stünden mit dem Weltkulturerbe nicht in Einklang. Die genehmigte Anlage beeinträchtige in starkem Maße die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung des Limes für die Gemeinde Rettert. Sie erhalte Fördermittel, die für die Sichtbarmachung, den Schutz, die Erforschung und die touristische Präsentation des Limes eingesetzt würden. Diese seien bei der Errichtung des Windparks infrage gestellt. Zudem habe die Gemeinde mit Bebauungsplan vom 27.09.2007 ein Baugebiet „Wohnpark Limes“, mit 14 Bauplätzen für Wohngebäude, ausgewiesen und für dessen Entwicklung bisher Kosten von fast 200.000 € aufgewendet. Die Attraktivität beruhe insbesondere auf dem bislang unverstellten Blick auf das Weltkulturerbe. Die Errichtung des Windparks mindere die Vermarktungsmöglichkeiten. Sowohl dort als auch in bereits bebauten Bereichen des Gemeindegebietes sei mit einer Überschreitung zulässiger Immissionswerte zu rechnen. Auch sei mit Brandgefahr zu rechnen.

Die Kammer erachtete in ihrer Entscheidung den Eilantrag bereits für unzulässig, da eine mögliche Verletzung von Rechten der Gemeinde Rettert nicht zu erkennen sei.

Rechtsschutz ziele grundsätzlich auf die Gewährung von Individualrechtsschutz ab. Die Gemeinde müsse insoweit hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch die Genehmigung zu Gunsten des Windparkbetreibers in einem eigenen Recht verletzt werde. Als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts und damit als Teil der öffentlichen Gewalt könne die Gemeinde nur eingeschränkt eigene subjektiv-öffentliche Rechtspositionen geltend machen.

Soweit sich die Gemeinde auf eine mögliche Verletzung ihrer Planungshoheit aus Art. 28 Abs. 2 GG berufe, vermöge sie damit ihre Antragsbefugnis nicht zu begründen. Die Planungshoheit umfasse das Recht der Gemeinde auf Planung und auf Regelung der Bodennutzung in ihrem Gebiet einschließlich der Wahrung des interkommunalen Abstimmungsgebots nach dem Baugesetzbuch. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Windparkbetreiber schließe nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz auch die erforderliche Baugenehmigung ein. Daher bestehe auch keine interkommunale Abstimmungspflicht. Über die Zulässigkeit des Windparks, eines im Außenbereich privilegierten Vorhabens, sei auf der Grundlage des § 35 BauGB und des dort geregelten Programms entschieden worden, das für planerische Erwägungen keinen Raum lasse.

Die in dieser Vorschrift vorgesehenen Entscheidungskriterien reichten aus, um eine gegebenenfalls bestehende Konfliktlage im Außenbereich angemessen beurteilen und adäquat lösen zu können.

Auch eine entsprechende Anwendung des interkommunalen Abstimmungsgebots, bei dessen Verletzung sich eine Nachbargemeinde wegen unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art zur Wehr setzen könne, führe vorliegend nicht zu der Annahme einer Antragsbefugnis der Gemeinde. Der Umstand, dass ein Teil der 199 m hohen Windkraftanlagen in Gemeindenähe errichtet werde, führe nicht zu gewichtigen unmittelbaren Auswirkungen auf die Gemeinde. Dadurch, dass es sich bei diesen Anlagen im Außenbereich um privilegierte Vorhaben handele, werde die Annahme eines Abwehrrechts zusätzlich erschwert. Abwehransprüche auf der Grundlage des so genannten Selbstgestaltungsrechts der Gemeinde seien allenfalls dann anzuerkennen, wenn eine Gemeinde durch Maßnahmen betroffen werde, die das Ortsbild entscheidend prägten und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirkten. Gewisse ästhetische Einbußen, die vorliegend durchaus gegeben sein könnten, habe die Gemeinde hinzunehmen. Die Gemeinde habe nicht hinreichend dargelegt, weshalb die Windkraftanlagen ihr gesamtes Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet einwirken sollten. Die Distanz zwischen den dem Gemeindegebiet nächstgelegenen genehmigten Windkraftanlagen Nrn. 8, 9 und 12 und der Abstand zu dem nächstgelegenen Wohnhaus betrage mehr als der von der Rechtsprechung geforderte Abstand von mindestens dem dreifachen der Gesamthöhe der geplanten Anlage. Dies seien im vorliegenden Fall 600 m. Die Anlagen stünden jedoch 700 m vom Gemeindegebiet und 2 km vom nächstgelegenen Wohnhaus entfernt. Somit könne nicht von einer optisch bedrängenden Wirkung ausgegangen werden. Die bloße Sichtbarkeit führe für sich genommen nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung.

Es sei auch nicht ersichtlich, dass möglicherweise unmittelbare Auswirkungen in gewichtiger Art auf das Gemeindegebiet zu besorgen seien, die die Gemeinde in ihrer Planungshoheit unzumutbar beeinträchtigten. Dass der Windpark hinreichend bestimmte Planungen der Gemeinde stören könnte, sei weder aufgrund des Vortrags der Gemeinde noch nach der Aktenlage zu erkennen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Entwicklung des Baugebietes „Wohnpark Limes“ abrupt abgebrochen würde. Die Entwicklung dieses Baugebietes sei nach wie vor vorgesehen und liege zudem von dem genehmigten Vorhaben abgewandt. Es sei auch nicht zu erwarten, dass der Windpark wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren Planung der Gemeinde entziehe. Insoweit fehlten konkrete Darlegungen zu den Planabsichten der Gemeinde Rettert. Hierbei sei auch die Besonderheit in der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung zu beachten, wonach der Ortsgemeinde zwar die Bauleitplanung hinsichtlich des örtlichen Bebauungsplanes zustehe, die Flächennutzungsplanung aber der Verbandsgemeinde obliege. Dies führe zu einer Begrenzung/Einschränkung der Planungshoheit der Gemeinde, da der Bebauungsplan aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln sei.

Soweit sich die Gemeinde darauf berufe, dass sie ihre Zustimmung zu der von der Verbandsgemeinde Katzenelnbogen beabsichtigten Änderung des Flächennutzungsplanes verweigert habe, mit der eine Sonderbaufläche für Windenergien auf dem Gemeindegebiet Rettert ausgewiesen werden solle, führe dies nicht weiter, da das Veto der Ortsgemeinde den Flächennutzungsplan nicht verhindern könne.

Soweit sich die Gemeinde auf Belange des Natur- und Landschaftsschutzes berufe und diese als beeinträchtigt sehe, seien diese Belange öffentlicher Natur und verliehen einem Dritten keinen Schutzanspruch. Auch eine mögliche Störung des Orts, und Landschaftsbildes durch den Windpark könne eine Antragsbefugnis nicht begründen. Diese Belange vermittelten weder durch bundes- noch durch landesrechtliche Regelungen den Gemeinden eine eigene Rechtsposition.

Soweit sich die Gemeinde auf Belange des Denkmalschutzes berufe, begründe dies keine Antragsbefugnis, da für den Vollzug des Denkmalschutzes in Rheinland-Pfalz die Landkreise und kreisfreien Städte und nicht die Ortsgemeinden zuständig seien.

Gleiches gelte für die Belange des Brandschutzes, die von der Verbandsgemeinde anstelle der Ortsgemeinden als Selbstverwaltungsaufgaben wahrgenommen würden. Eine Beeinträchtigung des Grundeigentums durch Minderung von Vermarktungschancen könne die Gemeinde ebenfalls nicht geltend machen, da ihr als Gebietskörperschaft das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht zustehe.