OLG Oldenburg: Pflicht zur Kanalbeseitigung trotz öffentlich-rechtlicher Baulast

20.10.2014

Das Nachbargrundstück stand bis November 2012 im Eigentum eines Verwandten. Dieser hatte es mehr als 30 Jahre geduldet, dass die Leitungen auf seinem Grundstück verlegt waren. Im Wege der Zwangsversteigerung erwarb die Klägerin das Eigentum an dem Grundstück, das sie jetzt bebauen möchte. Die Regen- und Schmutzwasserkanäle des Beklagten hindern sie daran. Die Beklagten hatten es verabsäumt, das Leitungsrecht dinglich zu sichern, also in das Grundbuch eintragen zu lassen. Zu ihren Gunsten bestand, wie häufig, nur eine öffentlich-rechtliche Baulast.

Ohne eine Eintragung des Leitungsrechts im Grundbuch, so entschied nun das OLG, müsse die Klägerin die Leitungen auf ihrem Grundstück nicht dulden. Die öffentlich-rechtliche Baulast genüge dafür nicht. Jetzt muss der Beklagte die Kanäle vom Grundstück der Klägerin auf eigene Kosten entfernen und über sein Grundstück den Kanalanschluss legen lassen.

Das OLG differenziert streng zwischen öffentlich-rechtlichen, durch Baulast übernommenen Pflichten einerseits und zivilrechtlichen Pflichten andererseits. Diese Unterscheidung ist richtig und wird auch von anderen Gerichten ebenso gehandhabt. Allerdings führt dies dazu, dass die Baulast faktisch leerläuft, sofern sie nicht von einer entsprechenden zivilrechtlichen Handlungs- oder Duldungspflicht flankiert wird. Die Rechtsprechung lehnt es regelmäßig ab, aus einer ohnehin aufgrund einer Baulastübernahme öffentlich-rechtlich bestehenden Handlungs- oder Duldungspflicht auch eine zivilrechtliche Handlungs- oder Duldungspflicht abzuleiten. Dies kann in der Praxis, wie auch das aktuelle Urteil des OLG Oldenburg zeigt, sehr misslich sein. Lediglich für den umgekehrten Fall einer bestehenden Dienstbarkeit und fehlenden, aber benötigten Baulast hat der BGH unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf die Eintragung der Baulast anerkannt. Ein solcher Anspruch wird bejaht, wenn (1) die Grunddienstbarkeit bestellt wurde, um das begünstigte Grundstück baulich zu nutzen, (2) die Baulast zwingende Voraussetzung für die Bebauung ist und eine Befreiung vom Baulastzwang nicht in Betracht kommt, (3) bei Bestellung kein Anlass bestand, die Baulastübernahme zu erwägen und (4) Inhalt und Umfang der geforderten Baulast der Dienstbarkeit entsprechen.