VG Aachen: „Abschattung“ einer Richtfunkanlage steht der Erteilung einer Genehmigung für Windenergieanlagen nicht entgegen.

07.10.2014

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts erweist sich die Genehmigung nach summarischer Prüfung nicht aufgrund einer Verletzung dem Schutze der Antragstellerin dienender Vorschriften als offensichtlich rechtswidrig. Nach derzeitigem Sachstand sei vielmehr davon auszugehen, dass sie Rechte der Antragstellerin offensichtlich nicht verletzt. Das VG führt zur Begründung aus:

Da die Antragstellerin sich gegen den Genehmigungsbescheid nicht als Adressatin, sondern als Dritte wendet, ist Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung allein die Frage, ob die erteilte Genehmigung im Hinblick auf Vorschriften, die dem Schutz der Antragstellerin dienen, rechtmäßig ist. Einen Anspruch auf Rechtsschutz gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung haben Dritte nämlich nicht schon dann, wenn die Genehmigung objektiv rechtswidrig ist, also öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Vielmehr setzt die Gewährung von Rechtsschutz voraus, dass die Dritten durch den Verwaltungsakt zugleich in ihren Rechten verletzt sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn die verletzte Norm zumindest auch dem Schutz des Dritten dient, also drittschützende Wirkung hat.

Die Verletzung einer drittschützenden Norm ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erkennbar. Die angefochtene Genehmigung ist bei der hier allein möglichen, aber auch nur gebotenen summarischen Überprüfung im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die angefochtene Genehmigung zur Errichtung der Windenergieanlagen ist § 6 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). Danach ist die erforderliche Genehmigung zu erteilen, wenn 1. sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden, und 2. andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen.

In Betracht kommt vorliegend unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung von Drittrechten allerdings nicht ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.

Diese Bestimmung ist zwar grundsätzlich drittschützend. Die Abschattung hochfrequenter Wellen, wie hier der hochfrequenten nichtionisierenden Strahlung zur Übertragung von Telefonaten, Bildern, Musik, Internetdaten und anderen Informationen (Mobilfunk), gehört jedoch zu den sog. "negativen Immissionen", die vom Schutzzweck des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nicht erfasst werden.

Es liegt auch kein Verstoß gegen andere öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 6 Nr. 2 BImSchG vor. Die Antragstellerin kann sich insbesondere nicht auf eine bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens sowie auf eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme berufen.

Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens folgt aus § 30 Abs. 1 des Baugesetzbuches (BauGB). Danach ist ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig, wenn es im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, seinen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.

Dies ist hier der Fall. Die für den Standort der beiden geplanten Windenergieanlagen von der Beigeladenen vorgesehenen Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes "9-089-1, S. , Windkraftanlagen" der Stadt I. . In § 2 dieses Bebauungsplanes wird die maximale Bauhöhe (Höhe über alles) für Windkraftanlagen auf 150 m begrenzt. Dieser Festsetzung entsprechen die streitgegenständlichen Vorhaben. Daran, dass die Erschließung gesichert ist, bestehen keine Zweifel.

Von der Wirksamkeit eines einem Vorhaben zugrundegelegten Bebauungsplans ist nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes für das Land Nordrhein-Westfalen in Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung (ebenso wie gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung, die die erforderliche Baugenehmigung wegen ihrer Konzentrationswirkung enthält) grundsätzlich auszugehen, wenn dieser nicht offensichtlich unwirksam ist.

Mit Blick auf die von der Antragstellerin vorgetragenen Abwägungsdefizite sowie die behaupteten sonstigen Fehler (Fehlen eines Umweltberichts, fehlende Anpassung an die Ziele der Raumordnung, nicht ordnungsgemäße Bekanntmachung der relevanten Umweltinformationen) ist bei der vorliegend vorzunehmenden allein summarischen Prüfung eine offensichtliche und zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führende Fehlerhaftigkeit des Bebauungsplans jedoch nicht festzustellen, so dass derzeit von der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens auszugehen ist.

Das Vorhaben verstößt auch nicht gegen das für Nutzungen in beplanten Gebieten in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme. Die Vorschrift dient dem Schutz der Nachbarschaft vor Störungen durch Bauvorhaben, die zwar grundsätzlich nach den §§ 2 bis 14 BauNVO zulässig wären, aber wegen der besonderen Verhältnisse des konkreten Bauvorhabens der Eigenart dieses Baugebiets widersprechen oder die Umgebung unzumutbar stören.

Vorliegend stehen die Nutzung des Luftraums über den Standortgrundstücken durch die von der Antragstellerin betriebene Richtfunkstrecke und die Nutzung der Grundstücke selbst für die Errichtung und den Betrieb der Windenergieanlagen durch die Beigeladene in Konflikt. Diese Konfliktlage ist im Bebauungsplanverfahren nicht betrachtet und damit auch nicht auf Planungsebene bereits bewältigt worden. Der Bebauungsplan ist für die Konfliktbewältigung im Genehmigungsverfahren auf der Grundlage des Rücksichtnahmegebots daher grundsätzlich noch offen.

Das Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessenausgleich zwischen benachbarten Grundstückseigentümern gewähren. Die dabei vorzunehmende Abwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmebegünstigten ist, desto mehr Rücksichtnahme kann verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Berechtigte Belange muss er nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange zu schonen.

Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Belange der Antragstellerin ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bei der hier vorzunehmenden summarischen Überprüfung aber nicht festzustellen.

Zunächst weist das Gericht darauf hin, dass hinsichtlich der Windenergieanlage WEA 1 nach übereinstimmender Auffassung aller Beteiligten eine Störung der Richtfunkstrecke nicht zu befürchten ist. Die Errichtung und der Betrieb dieser Windenergieanlage beeinträchtigen Rechte oder Interessen der Antragstellerin daher offenkundig nicht, weshalb der vorliegend zur Entscheidung gestellte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bereits aus diesem Grunde insoweit keinen Erfolg haben kann. Daran, dass die angefochtene Genehmigung mit Blick auf jede einzelne der genehmigten Windenergieanlagen jedenfalls teilbar ist, hat die Kammer keinen Zweifel.

Hinsichtlich der Windenergieanlage WEA 2 geht die Kammer bei summarischer Betrachtung zwar davon aus, dass es zu Störungen des Betriebs der Richtfunkstrecke durch den Betrieb der Windenergieanlage WEA 2 kommen kann. Denn auch wenn die von der Antragstellerin vorgelegte Zeichnung zu der Bestandssituation fehlerhaft ist, worauf die Beigeladene und der Antragsgegner zutreffend hingewiesen haben dürften, so ist auch nach der von der Beigeladenen vorgelegten Skizze zur künftigen Situation davon auszugehen, dass die sog. Fresnelzone der Richtfunkstrecke nicht nur vollständig innerhalb des Bereichs liegt, der von den Rotorblättern der Windenergieanlage tangiert wird, sondern auch in dem Bereich verläuft, in dem sich der obere Teil des Mastes sowie die Gondel der Windenergieanlage befinden. Dass jedenfalls diese statischen Hindernisse die Funkverbindung stören, ist aus Sicht der Kammer nachvollziehbar und plausibel. Ob hingegen diese Störung zu einem Totalausfall der Richtfunkstrecke führen wird, wie von der Antragstellerin befürchtet, lässt sich mit den Mitteln dieses Eilverfahrens nicht feststellen. Dies hat die Antragstellerin bislang jedenfalls nicht substanziiert dargelegt und glaubhaft gemacht.

Ausgehend von der Annahme einer Störung des Betriebs der Richtfunkstrecke durch die Errichtung und den Betrieb der Windenergieanlage vermag die Kammer gleichwohl einen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot bei vorläufiger Betrachtung nicht festzustellen.

In die wertende Betrachtung ist einzustellen, dass die Antragstellerin mit dem Betrieb der Richtfunkstrecke nicht nur private Interessen, sondern gleichsam ein anerkanntes öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung und dem Ausbau eines funktionsfähigen und flächendeckenden Mobilfunknetzes verfolgt.

Dass angesichts dessen das Interesse der Antragstellerin aber per se höher zu bewerten wäre als das Interesse der Beigeladenen, die mit ihrem Beitrag zum Ausbau des Anteils der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, hier der Windkraft, ebenso ein anerkanntes öffentliches Interesse (vgl. nur die Privilegierung in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) verfolgt, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Sie geht insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Minden davon aus, dass weder aus Art. 87 f des Grundgesetzes (GG) Rechte einzelner Mobilfunkbetreiber folgen noch aus der Zuteilung von Frequenzen durch die Bundesnetzagentur ein Abwehranspruch eines Mobilfunkbetreibers gegen störende Nutzungen folgen kann.

Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen, der die Kammer folgt, davon auszugehen, dass bei Störungen des Mobilfunks allenfalls "Interessen" des Netzbetreibers tangiert sind, nicht jedoch eigene Rechtspositionen. Es besteht weder ein geschütztes Vertrauen, dass Funkverbindungen dauerhaft uneingeschränkt nutzbar bleiben, noch besteht ein grundrechtlich gewährleisteter Schutz davor, dass sich die Umgebung ändert und ggf. finanzielle Aufwendungen zur technischen Anpassung an neue Gegebenheiten getätigt werden müssen, um Funkverbindungen aufrechterhalten zu können. Es ist vielmehr regelmäßig Sache des Netzbetreibers, durch entsprechende technische Maßnahmen die Funktionsfähigkeit des Netzes sicherzustellen.

Diese Rechtsprechung, die zur Störung des Radio-, Fernseh- und Mobilfunkempfangs Privater ergangen ist, dürfte nach vorläufiger Einschätzung der Kammer auf Störungen der Richtfunkstrecken eines Mobilfunknetzes übertragbar sein.

Im Rahmen der Beurteilung dessen, was der einzelnen Konfliktpartei zuzumuten ist, ist nach Auffassung des Gerichts vorliegend maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin die mit Zuteilungsbescheid vom 28. Januar 2010 genehmigte Richtfunkstrecke durch einen Bereich führt, der bereits zuvor im Flächennutzungsplan der Stadt I. als Sonderbaufläche für Windenergieanlagen dargestellt war und seit dem Jahr 2007 durch die Bestandsanlagen, die durch die genehmigten Anlagen im Wege des Repowerings ersetzt werden sollen, genutzt wird. Wie die von der Beigeladenen vorgelegte Zeichnung zur Bestandssituation zeigt, hat die Antragstellerin für diese Richtfunkstrecke den reklamierten Mindestabstand von 30 m selbst nicht eingehalten, sondern diese in einem Bereich genehmigen lassen, der zum damaligen Zeitpunkt bereits nahezu vollständig von den Rotorblättern der Bestandsanlagen tangiert wurde. Dass die politische Zielsetzung seit einigen Jahren auf eine Nutzung der bisherigen Standorte im Wege des Repowerings durch höhere und damit leistungsfähigere Anlagen gerichtet ist, war allgemein bekannt aber spätestens seit Inkrafttreten des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) am 1. Januar 2009 (vgl. insbesondere § 30 EEG zur erhöhten Anfangsvergütung beim Repowering). Die Antragstellerin musste daher trotz der im Jahr 2010 noch gültigen Höhenbegrenzung des Bebauungsplans "9-089-0, S. , Windkraftanlagen" der Stadt I. damit rechnen, dass künftig eine Bebauungsplanänderung zur Ermöglichung eines Repowerings erfolgen konnte und die Windvorrangzone durch höhere Windenergieanlagen bebaut werden würde.

Überdies ist es der Antragstellerin bei summarischer Betrachtung nach derzeitiger Einschätzung möglich, durch zumutbare technische Vorkehrungen die Aufrechterhaltung ihres Mobilfunknetzes sicherzustellen. Zum einen kommen Maßnahmen wie die Erhöhung (ggf. auch eine Verschiebung) des Sendemastes in Betracht. Vor allem aber spricht derzeit Einiges dafür, dass der Mast der Windenergieanlage WEA 2 für die Anbringung eines sog. Repeaters geeignet ist, der die vollständige Aufrechterhaltung der fraglichen Richtfunkstrecke gewährleisten könnte. Davon geht selbst die Antragstellerin aus, wie der von der Beigeladenen hierzu vorgelegte Mailverkehr zeigt, nach dem diese nicht nur ebenfalls von einer grundsätzlichen Eignung ausgeht, sondern offenbar bereits in die Planungsphase eingestiegen ist.

Bei dieser Sachlage können die Interessen der Antragstellerin gegenüber den Interessen der Beigeladenen, die die baurechtlichen Möglichkeiten des Standorts lediglich ausnutzen will, nicht überwiegen. Bestehen zumutbare Möglichkeiten, den Konflikt zu bewältigen, so sind diese auch zu ergreifen, um ein Nebeneinander der konfligierenden Nutzungen zu ermöglichen. Das Verbot einer der Nutzungen wäre vor diesem Hintergrund unbillig.