VG Karlsruhe: Bordellartiger Betrieb im faktischen Gewerbegebiet zulässig

15.09.2014

Streitgegenstand des Verfahrens sind Räumlichkeiten in einem als Wohnhaus genehmigten Gebäude im unbeplanten Gebiet (§ 34 BauGB). Das Anwesen wird spätestens seit Juli 1997 auch zu Prostitutionszwecken genutzt. Die Klägerin betreibt dort einen FKK-Sauna-Club. Eine baurechtliche Genehmigung für diese Umnutzung liegt nicht vor. Am 17.02.2011 beschloss der Gemeinderat der Beklagten, das Gebiet zu überplanen. Zur Sicherung der Planung beschloss er am 30.04.2012 und am 12.05.2014 den Erlass einer Veränderungssperre. Mit Verfügung vom 30.06.2011 untersagte die Beklagte der Klägerin zum 31.08.2011 die Nutzung des Anwesens als bordellartiger Betrieb, weil der als Vergnügungsstätte zu typisierende Betrieb formell und materiell illegal sei. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin am 19.03.2013 Klage gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung erhoben. Sie beruft sich im Wesentlichen darauf, dass das Gebäude in einem überwiegend gewerblich geprägten Gebiet liege und der Beklagten die Ausübung der Prostitution schon seit Jahren bekannt sei. Die Nutzungsuntersagung sei daher unverhältnismäßig und zudem gleichheitswidrig, weil die Beklagte gegen einen vergleichbaren Betrieb nicht vorgehe. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Das Verwaltungsgericht hat die Untersagungsverfügung der Beklagten und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe aufgehoben. Zwar sei die Nutzung des von der Klägerin angemieteten Anwesens nicht von einer Baugenehmigung gedeckt und damit in formeller Hinsicht illegal. Die Nutzung verstoße aber nicht gegen Vorschriften des materiellen Baurechts. In diesem Zusammenhang komme der vom Gemeinderat der Beklagten beschlossenen Veränderungssperre keine maßgebliche Bedeutung zu. Diese sei im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts zwar noch in Kraft gewesen, stehe der Fortführung einer bisher ausgeübten, bauplanungsrechtlich zulässigen Nutzung aber nicht entgegen. Entscheidend komme es deshalb darauf an, ob der Betrieb der Klägerin seit der Umnutzung des Gebäudes bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre fortlaufend gegen materielles Baurecht verstoßen habe. Dies sei nicht der Fall. Für das Gebiet, in dem das Baugrundstück liege, existiere kein Bebauungsplan. Nach dem von der Kammer vor Ort gewonnenen Eindruck sei die nähere Umgebung weder als Gemengelage noch als faktisches Mischgebiet, sondern vielmehr als faktisches Gewerbegebiet i.S.v. § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 8 BauNVO zu bewerten. Dort seien bordellartige Betriebe allgemein zulässig. Nach dem Hauptzweck des Unternehmens, wie er sich auch aus der Gewerbeanmeldung ergebe, handele es sich bei dem FKK-Sauna-Club um einen solchen Betrieb. Maßgeblich sei, dass Prostituierte dort gegen Entgelt sexuelle Dienstleistungen erbrächten. Anders als bei Vergnügungsstätten - etwa Swingerclubs - stehe nicht das gesellige Beisammensein, sondern die prostitutive Leistung im Vordergrund. Selbst wenn man den Betrieb aber als Vergnügungsstätte einordne, könne er gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO ausnahmsweise zugelassen werden. Von ihm gingen keine Belästigungen oder Störungen aus, die nach der Eigenart des Baugebietes im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar seien. Insbesondere sei der nach außen hin unauffällige, gegenüber benachbarten Grundstücken abgeschirmte und überschaubar große Betrieb der Nachbarschaft gegenüber nicht rücksichtslos.