VG Frankfurt: Äußerungen des Oberbürgermeisters der Stadt Hanau auf NPD-Gegendemonstration waren zulässig.

08.08.2014

Die Nationaldemokratische Partei Deutschland wollte mit der vorliegenden Klage auf Unterlassung bestimmter Äußerungen des Oberbürgermeisters der Beklagten gegen einen Teil seiner am 11.09.2013 anlässlich einer Gegendemonstration gehaltenen Rede erreichen, dass diese Äußerungen auch von der Homepage der Stadt Hanau entfernt werden. Die umstrittenen Passagen lauten wie folgt:

„Es ist noch keine 3 Wochen her, dass wir uns hier an gleicher Stelle versammelt haben, um ein deutliches Signal zu geben: In unserer Stadt ist kein Platz für Nazis! Rund 600 Menschen haben bei der Gegendemonstration zur NPD-Kundgebung am 27. August Gesicht gezeigt. So erfreulich diese große Beteiligung war, hat sie uns auch die Kritik eingebracht, dass wir mit unserem gemeinsamen Bekenntnis gegen Rechts, der NPD mediale Aufmerksamkeit in unverdienter Breite verschafft haben.

Ich gebe zu, wir befinden uns hier in einem Dilemma. Wir haben uns trotzdem wieder für den gleichen Weg entschieden, nämlich der NPD wieder einmal mehr zu zeigen, dass wir sie hier nicht haben wollen. Warum? Weil wir nicht nur in Sonntagsreden das friedliche Miteinander einer bunten und pluralistischen Stadtgesellschaft feiern wollen …“

Die Äußerungen wurden getätigt, nachdem auf einer von der NPD zuvor durchgeführten Kundgebung der damalige Bundesvorsitzende der NPD mehrere fremdenfeindliche Bemerkungen gemacht hat. Sinngemäß hat er geäußert, dass eine muslimische Landnahme in Zusammenhang mit dem Bau von Moscheen erfolge, dass hier beschäftigte Ausländer jedem aufrechten Deutschen einen Arbeitsplatz wegnähmen, dass jeder Ausländer, der nicht versicherungspflichtig beschäftigt sei, in sein Heimatland abgeschoben werden müsse, dass die Stadtoberen dieses Pack hierher gebracht hätten, um die demokratische Kundgebung der Klägerin zu stören und dass der Tag kommen werde, an dem die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden für das, was in Deutschland geschehe und dass darüber hinaus in Deutschland weder Halbmond noch Davidstern hängen dürften.

Wegen dieser Äußerungen hatte die Beklagte die Versammlung NPD aufgelöst. Mit Urteil vom 22. Januar 2014 des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main (Az.: 5 K 3252/13.F) wurde festgestellt, dass die Auflösung der Versammlung durch den Oberbürgermeister der Beklagten rechtswidrig gewesen war. Diese Ereignisse fanden in unmittelbarer Nähe zu der Bundestagswahl im September 2013 und damit in Wahlkampfzeiten statt.

Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main hat die auf die Unterlassung der amtlichen Äußerung zielende Klage als zulässig bewertet, nachdem festgestellt wurde, dass der Oberbürgermeister der Beklagten nicht als Vertreter einer politischen Partei oder als Privatperson sondern als Amtsträger diese Äußerungen getätigt hat. Der Unterlassungsanspruch war auch gegen die Stadt Hanau zu richten, da die streitgegenständlichen Äußerungen ihres Oberbürgermeisters ihr zuzurechnen sind.

In der Sache konnte die Klage jedoch keinen Erfolg haben, weil durch die beanstandeten Äußerungen des Oberbürgermeisters die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt wird. Die Kammer führt dann aus, dass die Klägerin sich als politische Partei auf ihre Rechte auf Chancengleichheit aus den Artikeln 21 und 38 des Grundgesetzes sowie auf ihr Recht auf Versammlungsfreiheit aus Art. 8 berufen könne. Die getätigten Äußerungen griffen jedoch nicht unverhältnismäßig in die subjektiven Rechte der Klägerin ein. Denn amtliche Äußerungen des Oberbürgermeisters der Beklagten mit Eingriffsqualität seien dann gerechtfertigt, wenn er sich mit den Äußerungen im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgaben bewege und sich an das Sachlichkeitsgebot halte. Dies sei vorliegend zu bejahen. Der verfassungsrechtlich geschützte Aufgabenbereich der Beklagten umfasse die Regelung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung.

Im vorliegenden Fall sei die Rede des Oberbürgermeisters als Reaktion auf eine Versammlung der NPD vom 27.08.2013 erfolgt und auch in diesem Zusammenhang zu bewerten. Aus den Äußerungen des Oberbürgermeisters der Stadt Hanau gehe hervor, dass er sich eindeutig auf die Äußerungen des früheren Bundesvorsitzenden der Klägerin zu Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beziehe; der Zweck der Äußerungen liege darin, einer Beeinträchtigung des örtlichen Friedens in dem Gemeindegebiet entgegenzuwirken.

Das Gericht führt weiterhin aus, dass der Oberbürgermeister nicht um ihrer selbst willen die NPD ausgrenze und sich negativ über die Ziele der Partei äußere, sondern lediglich anlassbezogen das Auftreten der Klägerin auf der vorangegangenen Großkundgebung auf dem Marktplatz der Beklagten und die dort geäußerten und teilweise gegen die ausländischen Einwohner Hanaus gerichteten Äußerungen kritisiert habe.

Eine solche Kritik sei rechtlich nicht zu beanstanden, weil der Oberbürgermeister bei der streitgegenständlichen Rede auch das Gebot der Sachlichkeit folgend aus Vorschriften des Beamtenstatusgesetzes berücksichtigt habe. Als kommunaler Wahlbeamter habe sich der Oberbürgermeister nach § 33 Beamtenstatusgesetz durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten. Dies habe er durch seine Kritik an den provozierenden ausländerfeindlichen Äußerungen, die gegen grundlegende Wertentscheidungen der Verfassung der Bundesrepublik verstießen, getan. Das Sachlichkeitsgebot werde durch den Oberbürgermeister auch nicht durch die Formulierungen in seiner Rede verletzt. Seine Äußerungen stellten eine Reaktion auf provozierend und bedrohlich gehaltene Rede des damaligen Vorsitzenden der NPD da.

Das Gericht nimmt in seinem Urteil auch Bezug auf die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10.06.2014 (Az.: 2 BvR 4/13 - juris - in Bezug auf Äußerungen des Bundespräsidenten Gauck im August 2013 in einer Gesprächsrunde vor Berufsschülern) und führt aus, dass die Stellung des Oberbürgermeisters der Beklagten zwar nicht mit der des Bundespräsidenten vergleichbar sei und zu berücksichtigen sei, dass der Oberbürgermeister anders als der Bundespräsident auch in einem politischen Wettbewerb stehe; er aber dennoch als Repräsentant der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen seiner Zuständigkeit das Recht haben müsse, das Wort zu ergreifen und aus seiner Sicht bestehende mögliche Risiken und Gefahren für das Gemeinwohl zu benennen. Dabei habe er die Grenze zur Ausgrenzung oder Begünstigung einer Partei um ihrer selbst willen nicht überschritten. Die Äußerungen des damaligen Bundesvorsitzenden der Nationaldemokratischen Partei in Deutschland hätten zu erheblichen Unruhen unter Teilen der Einwohner und insbesondere der ausländischen Bevölkerung in Hanau geführt. Der Oberbürgermeister habe im Rahmen seiner Zuständigkeit auf Risiken und Gefahren für das Gemeinwohl hingewiesen und hierbei das Sachlichkeitsgebot nicht verletzt.

Auch unter Berücksichtigung der zum damaligen Zeitpunkt herrschenden Wahlkampfzeit und der besonders zu beachtenden Neutralitätspflicht des Oberbürgermeisters seien die Äußerungen nicht zu beanstanden. Es sei zwar staatlichen oder gemeindlichen Organen gesetzlich untersagt, in amtlicher Funktion vor Wahlen politische Parteien oder Wahlbewerber zu unterstützen; aber eine solche Unterstützungshandlung konnte das Gericht in der umstrittenen Rede nicht erkennen. Die Bemerkungen seien nicht als allgemein politische Aussage zur Nationaldemokratischen Partei Deutschland zu bewerten, weil sie immer in Bezug zu den früheren Äußerungen des damaligen NPD-Vorsitzenden erfolgt seien. Der Oberbürgermeister der Beklagten habe sich nicht grundsätzlich für ein Verbot der NPD im Zusammenhang mit der Bundes- und Landtagswahl ausgesprochen und darüber hinaus auch nicht zu einer möglichen Gegendemonstration aufgerufen habe.