OLG Stuttgart: Zum (fehlenden) Haftungsausschluss für Altlasten in Grundstückskaufverträgen

16.04.2014

Die Klägerin verlangt als Grundstückseigentümerin den Ersatz von Sachverständigenkosten nach § 24 Abs. 2 Bundesbodenschutzgesetz und die Verpflichtung zur Übernahme von Sanierungskosten, weil auf dem von ihrer Rechtsvorgängerin im Jahr 1963 von der Beklagten erworbenen Grundstück in Reutlingen in den Jahren 2007 und 2009 Altlasten in der Form von Kohlenwasserstoffen, Phenolen und Mineralölkohlenwasserstoffen festgestellt wurden. Das Landgericht hatte eine Ausgleichverpflichtung bejaht.

Die dagegen eingelegte Berufung hat das OLG zurückgewiesen. Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte seien nach § 4 Abs. 3 Bundesbodenschutzgesetz zu einer Sanierung verpflichtet, damit die von den Altlasten ausgehenden Gefahren beseitigt werden. Die Klägerin hafte als Eigentümerin des Grundstücks, von dem die Gefahren ausgehen (sogenannter Zustandsstörer), die Beklagte als Handlungsstörerin, weil sie die Verunreinigungen als Betreiberin eines Gaswerks und einer Tankstelle verursacht habe. Im Verhältnis der Parteien untereinander sei die Beklagte verantwortlich. § 4 Abs. 3 Bundesbodenschutzgesetz unterliege als polizeirechtliche Vorschrift zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung keiner Verjährung. Dass die Bodenbelastung 100 Jahre vor der Klage erfolgt sei, bleibe ohne Relevanz, denn der Verursacher hafte primär vor der Allgemeinheit und § 4 Abs. 3 Bundesbodenschutzgesetz enthalte keine zeitliche Beschränkung.

Die Anwendung von § 24 Abs. 2 Bundesbodenschutzgesetz stelle auch keine unzulässige Rückwirkung dar. Es handle sich um eine sogenannte unechte Rückwirkung. Bei der verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässigen unechten Rückwirkung treten die Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach Verkündung der Norm ein. Das Gesetz erfasst zwar Sachverhalte, die bereits vor seinem Inkrafttreten ins Werk gesetzt wurden. Es knüpft aber nicht an die Verursachung, sondern die deswegen heute noch vorhandene Umweltgefahr an. Weil die Beklagte als Verursacherin anzusehen sei und in Anspruch genommen werde, müsse sie primär und allein haften.

Der Ausgleichsanspruch sei auch nicht durch einen im Kaufvertrag von 1963 formulierten vertraglichen Gewährleistungsausschluss ausgeschlossen. Ein solcher Gewährleistungsausschluss sei eng auszulegen und erfasse den bodenschutzrechtlichen Ausgleichsanspruch schon deshalb nicht, weil es einen solchen Anspruch 1963 noch nicht gegeben habe. Bei angemessener Abwägung der beiderseitigen Interessen sei auch nicht davon auszugehen, dass die Parteien einen solchen Ausgleichsanspruch ausgeschlossen hätten, wenn seine Existenz ihnen bei Vertragsschluss bekannt gewesen wäre. Hierfür spreche auch, dass offenbar das Risiko von Altlasten nicht „eingepreist“ worden sei. Der bodenschutzrechtliche Ausgleichsanspruch sei auch noch nicht verjährt. Eine Verjährung des Ausgleichsanspruchs aus § 24 Abs. 2 Bundesbodenschutzgesetz sei nicht eingetreten, weil diese erst nach Abschluss der Sanierung beginne. Mangels Kenntnis der Altlasten bis 2007 sei der Anspruch auch nicht verwirkt.

Praxishinweis

Das Urteil zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, die Frage bodenschutzrechtlicher Ausgleichsansprüche in Grundstückskaufverträgen klar zu regeln. Verkäufer sollten sich nicht auf einen allgemeinen Gewährleistungsausschluss verlassen, sondern ausdrücklich auch etwaige bodenschutzrechtliche Ausgleichsansprüche ausschließen.