Windkraft: Sind den Kommunen die Hände gebunden?

06.11.2013

Frage:

Auch in Hessen soll die Energiegewinnung durch Windkraft ausgebaut werden. Welche Möglichkeiten haben die Gemeinden, die Errichtung von Windkraftanlagen zu steuern?

Dr. Stapelfeldt:

Die Städte und Gemeinden sind in ihrem Zuständigkeitsbereich Träger der Planungshoheit. Sie können deshalb in der Regel eigenständig – eine Ausnahme bildet der Regionale Flächennutzungsplan im Rhein-Main-Gebiet - durch ihre Bauleitplanung steuern, was wo im Gemeindegebiet gebaut werden darf – oder eben auch nicht. Das gilt auch für Windkraftanlagen.

Frage:

Wie sieht eine solche Steuerung konkret aus?

Dr. Stapelfeldt:

Städte und Gemeinden können in ihrem Flächennutzungsplan sowohl diejenigen Flächen festlegen, auf denen Windkraftanlagen errichtet werden dürfen als auch jene, auf denen dies nicht zulässig sein soll. An diese Festlegung ist die zuständige Genehmigungsbehörde gebunden, wenn ein Antrag auf Errichtung einer Windkraftanlage gestellt wird.

Frage:

Könnte eine Gemeinde also in einem solchen Plan auch vorschreiben, dass im gesamten Gemeindegebiet Windkraftanlagen verboten sind?

Dr. Stapelfeldt:

Diese Möglichkeit besteht nicht. Das Baugesetzbuch sieht vor, dass eine Gemeinde im Flächennutzungsplan so genannte Konzentrationszonen für Windenergieanlagen festsetzen darf. Geschieht dies, kann die Gemeinde zugleich bestimmen, dass außerhalb dieser Konzentrationszonen Windkraftanlagen verboten sind. Dies nennen die Juristen die so genannte Ausschlusswirkung. Diese Verbotsmöglichkeit ist aber zwingend daran gekoppelt, dass überhaupt im Gemeindegebiet eine Zone ausgewiesen wird, in der Windkraftanlagen gebaut werden dürfen.

Frage:

Wie groß muss eine solche Konzentrationszone sein? Wäre es z. B. denkbar, mit einer sehr kleinen Zone die von Ihnen beschriebene Ausschlusswirkung für das restliche Gemeindegebiet zu erzielen?

Dr. Stapelfeldt:

Diese Idee drängt sich tatsächlich auf, wurde aber vom Bundesverwaltungsgericht als nicht zulässig verworfen. Die Konzentrationszonen, die für die gewünschte Ausschlusswirkung notwendig sind, müssen nach der Rechtsprechung so groß sein, dass der Windkraft im Gemeindegebiet „substanziell Raum verschafft wird“, wie es die Gerichte formulieren. Dafür reicht regelmäßig eine kleine Zone, in der z. B. nur eine einzige Anlage errichtet werden kann, nicht aus.

Frage:

Aber was geschieht, wenn sich keine geeigneten Zonen für Windkraftanlagen im Gemeindegebiet finden lassen, weil z. B. die Windgeschwindigkeiten viel zu gering sind?

Dr. Stapelfeldt:

Dann muss die Gemeinde darauf verzichten, durch ihre Bauleitplanung die Windkraftnutzung zu steuern. Mit anderen Worten: Sie darf dann in ihrem Flächennutzungsplan keine Konzentrationszonen für Windenergie und folglich auch keine Verbotszonen ausweisen.

Frage:

Und wonach richtet sich die Errichtung von Windkraftanlagen, wenn es hierzu keine Aussagen im Flächennutzungsplan gibt?

Dr. Stapelfeldt:

Wenn die Gemeinde auf eine Festsetzung von Konzentrationszonen verzichten muss oder aus anderen Gründen keine Aussagen zu Windenergieanlagen im Flächennutzungsplan trifft, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit solcher Anlagen nach den allgemeinen Regeln des Baugesetzbuches. Die Entscheidung trifft dann die zuständige Genehmigungsbehörde, benötigt hierzu aber das Einvernehmen der Gemeinde.

Frage:

Dann könnte die Gemeinde also ihr Einvernehmen verweigern und dadurch das Projekt verhindern?

Dr. Stapelfeldt:

So einfach ist das nicht möglich. Die Gemeinde kann nicht nach freiem Ermessen über die Erteilung des Einvernehmens entscheiden. Sie kann dieses vielmehr nur dann verweigern, wenn das Windkraftprojekt aus rechtlichen Gründen nicht zugelassen werden darf. Es reicht deshalb z. B. nicht aus, dass eine Gemeinde aus grundsätzlichen Erwägungen keine Windkraftanlagen im Gemeindegebiet will.