OLG Naumburg: Tiefbauunternehmen darf sich bei Bauarbeiten an öffentlichen Straßen nicht auf Angaben Dritter zum Verlauf von Versorgungsleitungen verlassen.

25.10.2013

In dem zugrunde liegenden Sachverhalt sollte das beklagte Tiefbauunternehmen Horizontalbohrungen im Spülbohrverfahren an einer Kreuzung durchführen. Zu diesem Zweck wurden von der jetzigen Streithelferin der Klägerin zwei Gruben (Start- und Zielgrube) ausgehoben und Telefonbündel freigelegt. Die Beklagte hatte vor den Bohrungen keine weiteren Erkundigungen über die Lage von eventuellen Telekommunikationsleitungen eingeholt. Bei den Bohrungen beschädigte die Beklagte sodann einen Kabelkanal mit Telekommunikationsleitungen der Klägerin. Diese verlangt daraufhin Ersatz des durch die Beschädigung entstandenen Schadens.

Die Klägerin führt dazu aus, dass die Beklagte die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hätte und ihrer Pflicht, sich über den Verlauf eventueller Leitungen im Unterboden zu erkundigen, nicht nachgekommen wäre. Die Beklagte vertritt dagegen die Auffassung, dass der Schaden nicht durch ein eigenes sorgfaltswidriges Verhalten entstanden sei. Sie habe sich auf die Aussagen des Poliers, der die Unterquerung in einer Tiefe von 2 m freigegeben habe, verlassen dürfen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass ein Schaden auch eingetreten wäre, wenn die Beklagte die erforderlichen Pläne zur Verfügung gehabt hätte. Auf den Plänen seien, abgesehen von den bereits freigelegten Leitungen, keine weiteren Kabelverläufe eingezeichnet gewesen, weshalb anzunehmen sei, dass auch dann die Leitungen beschädigt worden wären (sog. rechtmäßiges Alternativverhalten).

Die Klägerin legte hiergegen Berufung ein. Das OLG Naumburg gab der Berufung mit folgender Begründung statt:

Die Beklagte habe pflichtwidrig und schuldhaft die Einholung der entsprechenden Leitungspläne unterlassen. Sie durfte sich nicht alleine auf die behaupteten Äußerungen des Poliers verlassen. Ein Tiefbauunternehmen müsse bei öffentlichen Straßen mit dem Vorhandensein unterirdisch verlegter Versorgungsleitungen rechnen und daher mit äußerster Vorsicht und dem erforderlichen Grad an Gewissheit vorgehen. Es ist somit verpflichtet, sich die erforderlichen Informationen selbst zu verschaffen.

Auch können die Gesichtspunkte des rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht herangezogen werden, wenn aus den Plänen ein nicht eindeutiger Rückschluss auf die Lage der Kabelschutzrohre zu ziehen ist und durch die Pläne deutlich wird, dass sich in unmittelbarer Nähe der Bohrstelle ein Kabelschacht mit drei Kabelschutzrohren befindet. Das durch die Bohrung entstehende Risiko hätte dann durch besondere Vorsichtsmaßnahmen gemindert werden können.