VG Kassel: Vorläufiger Stopp der Einleitung von Salzabwasser in die Werra

18.07.2013

Das Regierungspräsidium Kassel hatte mit einem wasserrechtlichen Bescheid vom 25. Juni 2012 dem Unternehmen die Erlaubnis erteilt, von seinem Betriebsstandort in der Nähe von Fulda über eine Rohrfernleitung 1,1 Mio. cbm Salzabwässer pro Jahr in die Werra einzuleiten. Da die Einleitung der Salzabwässer in einem Abschnitt der Werra erfolgen soll, der als Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Schutzgebiet festgesetzt ist ("Werra zwischen Philippsthal und Herleshausen"), hat das Regierungspräsidium eine nach dem Bundesnaturschutzgesetz vorgeschriebene FFH-Verträglichkeitsprüfung vorgenommen. Dabei kam es zu dem Ergebnis, dass die geplante Einleitung der Salzabwässer keine erhebliche Beeinträchtigung dieses Gebietes darstelle. Auch in der Vergangenheit sei das Salzabwasser an die Werra verbracht und dort eingeleitet worden. Durch das FFH-Gebiet solle die Groppe - eine Kleinfischart - geschützt werden. Deren Population befinde sich in einem guten Zustand. Daran werde sich durch die weitere Einleitung der Salzabwässer nichts ändern. Insgesamt werde wegen der Verringerung der Einleitungen aus anderen Standorten die Salzbelastung der Werra zurückgehen. Das Regierungspräsidium Kassel hatte angeordnet, dass das Unternehmen von seiner Einleitungserlaubnis auch im Falle von Klagen Dritter sofort Gebrauch machen könne. Die Anordnung dieses "Sofortvollzugs" war damit begründet worden, dass die Salzabwässer überwiegend durch den Niederschlag auf die Salzhalden anfielen. Dies könne bei Aufrechterhaltung des Betriebs nicht verhindert werden. Der Betrieb sei auf die Einleitung der Salzabwässer angewiesen. Er habe für die Region auch erhebliche wirtschaftliche Bedeutung. Gegen diese Erlaubnis hat u.a. auch die antragstellende Naturschutzvereinigung Klage erhoben. Daneben verfolgte sie mit einem Eilantrag das Ziel, die Einleitung der Salzabwässer bis zur Entscheidung über die Klage zu unterbinden.

Diesem Antrag hat das Verwaltungsgericht jetzt stattgegeben. Nach Auffassung des Gerichts verstößt die Erlaubnis der Salzabwassereinleitung gegen naturschutzrechtliche Vorschriften. Danach könne ein Vorhaben nur zugelassen werden, wenn nach einer FFH-Verträglichkeitsprüfung zweifelsfrei feststeht, dass eine durch ein FFH-Gebiet geschützte Art durch das Vorhaben nicht erheblich beeinträchtigt wird. Der Annahme des Regierungspräsidiums, die Groppenpopulation befinde sich trotz der auch schon bislang erfolgten Salzabwassereinleitung in einem guten Zustand, folgte das Gericht nicht. In den Untersuchungen und Gutachten, auf die das Regierungspräsidium sich gestützt hat, finde diese Annahme keine ausreichende Grundlage. Die Gutachten seien teilweise widersprüchlich, lückenhaft oder nicht aussagekräftig. Die erforderlichen zweifelsfreien Feststellungen zum dauerhaften Überleben der Groppenpopulation im FFH-Gebiet ergäben sich daraus jedenfalls nicht, so die Kammer. Ein Abweichungsverfahren, das die Einleitung der Salzabwässer trotz einer nicht ausgeschlossenen Beeinträchtigung der geschützten Art ermöglichen würde (§ 34 Abs. 3 BNatSchG), sei nicht durchgeführt worden.