VG Wiesbaden: Ansprüche der Mitglieder der Gemeindevertretung auf Informationen gegenüber Gemeindevorstand

10.06.2013

Sachverhalt

Der Kläger, Gemeindevertreter und Mitglied der CDU- Fraktion, hatte mit Schreiben vom 22.09.2012 den Vorsitzenden der Gemeindevertretung unter anderem um Auskunft über die gemeindlichen Einnahmen aus dem Betrieb von Windkraftanlagen für den Zeitraum 2001-2011 gebeten. Bei der begehrten Auskunft sollte zwischen Pachteinnahmen, Gewerbesteuereinnahmen, eventuell zusätzlichen Einnahmen bei der Grundsteuer und sonstigen Einnahmen differenziert werden.

Diese Fragen wurden dem Kläger in der Sitzung der Gemeindevertretung am 05.10.2012 vom Bürgermeister nur teilweise beantwortet, da dieser sich aufgrund des Steuergeheimnisses insbesondere über die Höhe der Einnahmen nicht äußern wollte.

Nachdem eine erneute Anfrage des Klägers vom 27.10.2012 nicht auf die Tagesordnung einer nicht-öffentlichen Sitzung der Gemeindevertretung genommen worden war, erhob der Kläger Widerspruch gegen die Ablehnung der begehrten Auskunft. Diesen Widerspruch wies der Vorsitzende der Gemeindevertretung als unzulässig zurück.

Eine weitere Anfrage des Klägers vom 30.11.2012, mit der er Auskünfte über die Auswirkungen der Errichtung eines Windparks auf den Wald und die Jagdpacht erstrebte, wurde ebenfalls von dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung als unzulässig zurückgewiesen. Gegen beide Ablehnungen erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden, das seiner Klage nun zum Teil Recht gab.

Entscheidung

Das Gericht urteilte, dass der Gemeindevorstand aufgrund der Hessischen Gemeindeordnung verpflichtet sei, Anfragen der Gemeindevertreter schriftlich oder mündlich in einer Sitzung der Gemeindevertretung zu beantworten. Denn die Überwachung der Verwaltung der Gemeinde durch die Gemeindevertreter erfolge insbesondere durch die Ausübung des Fragerechts in den Sitzungen der Gemeindevertretung und durch schriftliche Anfragen. Die Gemeindevertreter hätten gegenüber dem Gemeindevorstand nicht nur die bloße Funktion, sondern gerade auch die Pflicht zur Überwachung und dürften daher zum Zweck der Überwachung von ihrem Fragerecht an den Gemeindevorstand Gebrauch machen. Allerdings sei dieses Fragerecht eines Gemeindevertreters nicht unbegrenzt zu gewähren, sondern reiche nur soweit wie die Kontrollbefugnisse der Gemeindevertretung. Es seien daher nur solche Anfragen zulässig, die sich auf Angelegenheiten der Gemeinde beziehen, insbesondere zu wichtigen Verwaltungsangelegenheiten der Gemeinde. Nach Auffassung des Gerichts ist die Errichtung des Windparks fraglos als ein besonders wichtiges Projekt der Gemeinde einzustufen, was in der Öffentlichkeit und der Presse demzufolge besonders intensiv beobachtet und verfolgt werde. Deshalb sei der Gemeindevorstand ohnehin von Gesetzes wegen bereits von sich aus verpflichtet, die Gemeindevertretung laufend über dieses Projekt zu unterrichten. Wenn aber schon eine laufende Unterrichtungspflicht des Gemeindevorstands gegenüber den Gemeindevertretern bestehe, so sei der Gemeindevorstand umso mehr verpflichtet, auf entsprechende Anfragen von Gemeindevertretern zu einem solchen Großbauvorhaben die begehrten Auskünfte zu erteilen. Im Übrigen sei die Erteilung der Auskunft nicht mit einem besonderen Aufwand verbunden. Diesem Auskunftsbegehren stehen nach den Ausführungen des Gerichts weder datenschutzrechtliche Regelungen noch das Steuergeheimnis entgegen.

Nach den Vorschriften des Datenschutzgesetzes bestehe seitens des Gemeindevorstands grundsätzlich auch bei personenbezogenen Daten eine Auskunftspflicht, die lediglich bei streng persönlichem Charakter der Daten eingeschränkt sein könne. Dabei sei insbesondere auf die Interessenwahrnehmung der Betroffenen abzustellen und zu prüfen, inwieweit eine solche Übermittlung zuzumuten sei. Hinsichtlich der Gewerbesteuerzahlungen sei die Auskunft für die Betroffenen aber durchaus zumutbar.

Die Wahrung des Steuergeheimnisses habe eine Durchbrechung erfahren, wonach eine Offenbarung bei Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses zulässig sei.

Dies sei auf den Fall der Ausübung der Kontrollbefugnis gegenüber dem Gemeindevorstand anzuwenden. Könnte der Gemeindevorstand unter Hinweis auf das Steuergeheimnis Auskünfte verweigern, so das Gericht, würde die gesetzlich vorgesehene Kontrollbefugnis weitestgehend ausgehöhlt werden. Im Übrigen sei der Kläger als kommunaler Mandatsträger nach den Vorschriften der Abgabenordnung und der Hessischen Gemeindeordnung zur Verschwiegenheit verpflichtet. Soweit bei Beantwortung der Fragen in der Sitzung der Gemeindevertretung ausreichende Vorkehrungen für den Geheimschutz, zum Beispiel durch den Ausschluss der Öffentlichkeit getroffen und damit dem Geheimhaltungsbedürfnis ausreichend Rechnung getragen werde, stehe auch der Auskunft sensibler Steuerdaten nichts entgegen.

Darüber hinaus war die Klage des Klägers erfolglos. Soweit der Kläger Auskunft über die Auswirkungen der Windkraftanlagen erstrebe, sei die Klage unbegründet, da dem Kläger als Gemeindevertreter zwar ein Fragerecht zustehe, dieses jedoch nicht unbeschränkt gelte. Das Fragerecht müsse dem Zweck der Überwachung dienen. Fragen, die sich auf noch ungewisse Auswirkungen der Windkraftanlagen beziehen, gehörten nicht dazu. So könnten Fragen über die Auswirkungen, wie zum Beispiel über den Flächenverbrauch, nicht konkret und abschließend beantwortet werden. Dies sei erst dann möglich, wenn durch eine Genehmigung weiterer Windkraftanlagen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz das verbindliche Parklayout festgelegt worden sei. Es bestehe auch keine Pflicht der Gemeindevertretung, eine Schätzung oder Prognose einzig zur Beantwortung der Fragen des Klägers vorzunehmen. Zwar seien die Fragen des Klägers für oder gegen die Entscheidung über den Windpark an späterer Stelle entscheidend, aber nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Diese Fragen bezüglich der Auswirkungen neuer Windkraftanlagen würden im Rahmen einer noch ausstehenden Debatte in der Gemeindevertretung zur Diskussion gestellt und geklärt werden. Eine solche Diskussion mache aber keinen Sinn, wenn gerade diese Auswirkungen noch nicht genau bestimmt werden könnten. Dafür bedürfe es erst des Abschlusses des Verfahrens in den zuständigen Ausschüssen der Gemeindevertretung.