BGH: Baukostengarantie des Architekten unterliegt nicht der Preiskontrolle am Maßstab der HOAI.

07.01.2013

Sachverhalt

Der Kläger und seine Schwester beauftragten durch Einheits-Architektenvertrag vom 27. Juli 1995 die damals in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbundenen Beklagten, Architektenleistungen für die Errichtung eines Wohnhauses mit Tiefgarage zu erbringen. Der Kläger und seine Schwester gaben alle Grundleistungen und zusätzlich Besondere Leistungen in Auftrag und vereinbarten mit den Beklagten ein Pauschalhonorar von 250.000 DM einschließlich Mehrwertsteuer. Den Höchstbetrag ermittelten die Beklagten mit 276.512,42 DM (Honorarhöchstsatz für Grundleistungen der Honorarzone 4 für Wohnhäuser mit überdurchschnittlicher Ausstattung: 184.157 DM, vereinbarte Besondere Leistungen: 45.900 DM, Nebenkosten: 10.388,59 DM, jeweils zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer).

Der Kläger und seine Schwester hatten den Wunsch, die Gesamtkosten des Bauvorhabens zu begrenzen. Ebenfalls am 27. Juli 1995 trafen die Parteien des Architektenvertrages daher gesondert eine sogenannte "Zusatzvereinbarung", in der es u. a. heißt:

"Die Architekten verpflichten sich, die Gesamtkosten von DM 2.200.000,- incl. 15% Mwst. nicht zu überschreiten.

Hierin nicht enthalten sind die Grundstückskosten, Kosten aus nachbarschaftlichen Vereinbarungen sowie Gründungserschwernisse, Bodenkontaminierung, Altlasten, Änderungen und Zusatzwünsche. Bei Kostenüberschreitung werden die Mehrkosten von den Architekten getragen. Bei Kostenunterschreitung erhalten die Architekten die Minderkosten als Prämie ..."

Die Parteien streiten vor diesem Hintergrund im Wesentlichen um die Frage, ob den beklagten Architekten eine vereinbarte Prämie für die Unterschreitung der vorgesehenen Baukosten zusteht. Der Kläger fordert den überwiegenden Teil der Prämie unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung aus eigenem und abgetretenem Recht zurück.

Entscheidung

Der BGH entschied, dass der Kläger die gezahlte Prämie nicht nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung zurückverlangen kann und begründet dies wie folgt:

Das Berufungsgericht geht davon aus, dass Regelungsgehalt der Zusatzvereinbarung vom 27. Juli 1995 eine Baukostengarantie und eine Erfolgsprämie sind. Das wird von den Parteien nicht in Frage gestellt. Danach haben die Beklagten die Einhaltung der Gesamtkosten verschuldensunabhängig garantiert. Da die Vereinbarung bestimmte Ausnahmefälle vorsieht, handelt es sich um eine eingeschränkte Garantieerklärung. Diese Garantieerklärung geht über die Verpflichtungen aus dem am gleichen Tag geschlossenen Architektenvertrag hinaus. Der Architektenvertrag konnte allein die Verpflichtung schaffen, die Baukosten einzuhalten. Folge einer Pflichtverletzung wäre ein Schadensersatzanspruch des Klägers gewesen, der nur in Höhe des eingetretenen Schadens hätte durchgesetzt werden können. Dieser Schaden ist nicht ohne Weiteres identisch mit den Mehrkosten für das Bauvorhaben, weil es auf den Vermögensnachteil infolge der pflichtwidrigen Baukostenüberschreitung ankommt. Die selbständige Garantieerklärung verschaffte dem Kläger hingegen unabhängig von einem bei ihm durch die Baukostenüberschreitung eingetretenen Schaden und unabhängig von einem Verschulden des Klägers einen Anspruch auf Zahlung der Mehrkosten (siehe BGH, Urteile vom 24.6.1971 - VII ZR 254/69, BauR 1971, 270; vom 4.12.1986 - VII ZR 197/85, BauR 1987, 227).

Eine Baukostengarantie ist, auch wenn sie - wie hier - gewisse Ausnahmetatbestände vorsieht, mit einem erheblichen Risiko verbunden. Dieses Risiko kann durch sorgfältige Planung und Kostenermittlung zwar eingedämmt werden. Es ist jedoch nicht gänzlich beherrschbar, weil unvorhersehbare Kostensteigerungen, z.B. durch überraschende Materialpreiserhöhungen oder unerwartete Witterungsverhältnisse, die zu erheblichen Bauzeitverzögerungen und Mehrkosten führen können, eintreten können. Allgemein wird deshalb Architekten und Ingenieuren davon abgeraten, solche Baukostengarantien abzugeben.

Die Parteien haben die Prämie als Gegenleistung für die Übernahme der Baukostengarantie vereinbart. Das hat das Berufungsgericht zwar so nicht ausdrücklich festgestellt, folgt aber ohne Weiteres aus der getroffenen Vereinbarung. Die Zusatzvereinbarung diente dazu, die Baukosten zu begrenzen und dem Kläger und seiner Schwester die Sicherheit zu verschaffen, keine über 2,2 Mio. DM hinausgehenden Kosten tragen zu müssen. Der Zweck der Vereinbarung bestand dagegen nicht darin, die Baukosten zu senken. Das ergibt sich ohne Weiteres daraus, dass der Kläger und seine Schwester keinen Vorteil aus einer Baukostensenkung erlangten. Die Kostensenkung kam vielmehr in vollem Umfang den Beklagten zugute und erhöhte ihr Honorar. Damit war die Prämie auch kein Anreiz, zugunsten des Auftraggebers die Planungsleistungen zu optimieren. Das lässt den Schluss zu, dass die Prämie, die zu einer Überschreitung des Höchstsatzes der Honorarordnung geführt hat, kein Entgelt für die übernommenen Architektenleistungen ist. Sie ist vielmehr allein und ausschließlich als Gegenleistung dafür vereinbart, dass die Beklagten die Baukostengarantie übernommen haben. Das ergibt sich zudem daraus, dass insoweit eine Zusatzvereinbarung zum Architektenvertrag getroffen ist und zudem auch sachlich in dieser Zusatzvereinbarung ein enger Zusammenhang zwischen der Baukostengarantie und der Prämie hergestellt worden ist.

Dieser Zusammenhang verbietet es von vornherein, die Prämie als Entgelt für die von den Beklagten übernommenen Architektenleistungen zu betrachten. Es geht deshalb nicht darum, ob ein Architekt nach dem Preisrecht der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure allein für die Unterschreitung einer vereinbarten Baukostenobergrenze ein Erfolgshonorar vereinbaren kann, das dazu führt, dass das gesamte Honorar den Höchstsatz überschreitet. Vielmehr stellt sich die Frage, ob das Preisrecht den Fall erfasst, dass die Parteien als "Entgelt" für die Übernahme der Baukostengarantie eine Prämie vereinbaren.

Diese Frage ist – so der BGH - zu verneinen. Die als Gegenleistung für eine Baukostengarantie vereinbarte Prämie ist kein Entgelt für Leistungen der Architekten und Ingenieure, soweit sie durch Leistungsbilder der Verordnung erfasst werden, § 1 HOAI. Nach § 2 Abs. 1 HOAI gliedern sich die in den Leistungsbildern erfassten Leistungen in Grundleistungen und Besondere Leistungen. Die für die Beurteilung maßgebliche Leistung ist nicht die vom Architekten zu erbringende Planungs- und Überwachungsleistung, sondern die von ihm übernommene Baukostengarantie. Diese gehört nicht zu den Grundleistungen. Grundleistungen umfassen die Leistungen, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrags allgemein erforderlich sind, § 2 Abs. 2 HOAI. Dazu gehören regelmäßig auch solche Planungsleistungen, die erforderlich sind, um eine vereinbarte Baukostenobergrenze einzuhalten. Nicht dagegen gehört dazu die Übernahme der Verpflichtung, die Mehrkosten verschuldensunabhängig zu tragen.

Die als Gegenleistung für eine Baukostengarantie vereinbarte Prämie ist auch kein Entgelt für eine Besondere Leistung. Ausgangspunkt der Überlegung muss insofern der Wortlaut des § 2 Abs. 3 Satz 1 HOAI sein. Voraussetzung für eine Besondere Leistung ist, dass besondere Anforderungen an die Ausführung des Auftrags gestellt werden. Schon diese Voraussetzung liegt nicht vor, wenn ein Architekt mit dem Auftraggeber eine Baukostengarantie vereinbart. Denn mit der Übernahme der Baukostengarantie haben die Parteien keine besonderen Anforderungen an den Auftrag vereinbart. Gegenstand des Auftrags im Sinne des § 2 Abs. 3 HOAI ist die Gesamtheit der vom Architekten übernommenen Leistungspflichten. Die Baukostengarantie erweitert nicht etwa den Leistungskatalog des Architekten im Sinne des § 2 Abs. 3 HOAI. Sie begründet keine Verpflichtung des Architekten, die Baukosten einzuhalten, sondern regelt dessen Pflicht, die Mehrkosten bei einer Baukostenüberschreitung zu übernehmen. Mit der Übernahme der Baukostengarantie werden keine besonderen Anforderungen an die Ausführung des Auftrags gestellt, sondern lediglich Rechtsfolgen geregelt. Zwar mag es sein, dass nach Übernahme einer Baukostengarantie für den Architekten eine wesentlich intensivere Festlegung des Bauprogramms und eine umfangreichere Kostenermittlung geboten sind. Dies nimmt der Architekt, der eine Baukostengarantie abgibt, jedoch im eigenen Interesse vor und ist dem Auftraggeber nicht geschuldet, sondern stellt sich allenfalls als mittelbare Auswirkung der Garantievereinbarung dar. Dies gilt umso mehr, weil der Architekt mit einer Baukostengarantie nicht die Erfüllung eigener, sondern die Einhaltung fremder Leistungen garantiert.