OVG Münster: Zum Anspruch auf planunabhängige kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen zur Verringerung der Feinstaubbelastung

19.12.2012

Das OVG kommt zu dem Ergebnis, dass die Ermessensentscheidung der Beklagten, derzeit keine kurzfristig wirksamen straßenverkehrsbezogenen Maßnahmen zur kurzfristigen Reduzierung der an dem vom Kläger bewohnten Grundstück bestehenden PM10-Belastung durchzuführen, rechtlich nicht zu beanstanden sei. Allerdings hebt das Gericht folgende Grundsätze für die Behandlung derartiger Anträge hervor:

1. Ein an die zuständige Behörde gerichteter Antrag, Maßnahmen zur Reduzierung der PM10-Belastung durchzuführen, sei hinreichend bestimmt und ohne weitere Konkretisierung sachbescheidungsfähig.

2. Würden die Grenzwerte für PM10 überschritten, könnten hiervon betroffene Personen verlangen, dass die zuständigen Behörden planunabhängige Maßnahmen ergreifen, die eine Verletzung ihrer Gesundheit durch Überschreitung der geltenden Immissionsgrenzwerte nach Maßgabe des Verursacheranteils und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ausschließen.

3. Ein Anspruch auf Durchführung planunabhängiger Maßnahmen werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass betroffene Personen auch einen Anspruch auf Ergänzung des Luftreinhalteplans oder auf Erlass eines Plans für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen (sog. Aktionsplan) geltend machen könnten.

4. Einzelne Gruppen von Emittenten (z.B. Straßenverkehr, emittierende Anlagen) könnten in der Regel nur anteilig entsprechend ihrem Verursachungsbeitrag zur Reduzierung der Schadstoffbelastung herangezogen werden. Insbesondere dann, wenn in Bezug auf eine Gruppe von Emittenten keine geeigneten Maßnahmen in Betracht kämen oder nur solche, die mit völlig unangemessenen Belastungen verbunden wären, könnten auch darüber hinausgehende Maßnahmen möglich und geboten sein.

5. Angesichts der schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die eine Exposition gegenüber PM10 nach sich ziehen könne, würde sich das der zuständigen Behörde hinsichtlich der Durchführung von Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffbelastung zustehende Ermessen im Falle der Überschreitung der Immissionsgrenzwerte für PM10 zu einer Pflicht zum Einschreiten verdichten, wenn eine Verletzung der geschützten Rechte des Einzelnen in Betracht kommt und von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen nicht wegen der damit verbundenen Nachteile abgesehen werden müsse.

6. Die zuständige Behörde dürfe die Durchführung von Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffbelastung nicht unter Hinweis darauf ablehnen, dass eine Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte mit den in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Maßnahmen von vornherein ausgeschlossen sei. Vielmehr habe sie auch sämtliche verhältnismäßigen Maßnahmen in Erwägung zu ziehen, die zu einer "bloßen" Reduzierung der Schadstoffbelastung beitragen.