OVG Koblenz: Sondergebiet zur Sicherung und Entwicklung eines prägenden Kulturdenkmals zulässig

14.11.2012

Der Antragsteller im Normenkontrollverfahren wandte sich gegen den Bebauungsplan der Ortsgemeinde Mertloch. Er ist Vollerwerbslandwirt und u. a. Eigentümer eines teilweise im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplanes gelegenen Grundstücks, welches von ihm bewirtschaftet wird und auf der im Jahre 2008 eine landwirtschaftliche Lager-/Maschinenhalle errichtet worden ist.

Der angegriffene Bebauungsplan setzt ein Sondergebiet mit der besonderen Zweckbestimmung „Historische Kulturstätten - Sicherung und Entwicklung des Orts- und Landschaftsbildes“ fest, in welchem sich ein jüdischer Friedhof und eine Kapelle nebst Kreuzweg befinden. Der Bebauungsplan weist u. a. auf dem Grundstück des Antragstellers unter Aussparung der dort errichteten Halle einen ca. 50 m tiefen Geländestreifen entlang eines Fahrwegs, der von der Ortslage über die Kapelle hinaus nach Südosten führt, als absolute Bauverbotszone aus. Eine solche ist ferner für 2 Bereiche vorgesehen, die durch einen 100 m-Radius um die jeweilige Kulturstätte gebildet worden sind. Für die übrigen außerhalb der (absoluten) Bauverbotszone liegenden Flächen des Plangebietes, bestimmt Ziff. 2 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen, dass dort ausnahmsweise solche bauliche Anlagen zulässig sind, die eine Genehmigungsfähigkeit nach § 35 BauGB, eine Grundfläche von weniger als 40 m² und ein Bauvolumen von weniger als 140 m³ aufweisen, wobei die Höhe der baulichen Anlage 3,50 m über dem natürlichen Gelände nicht übersteigen darf.

Gegen diesen Bebauungsplan erhob der Antragsteller zunächst im Bauleitplanverfahren Einwendungen und stellte sodann Normenkontrollantrag. Der Antrag wurde vom Oberverwaltungsgericht im Ergebnis als unbegründet abgelehnt. In seinem Urteil führt das OVG Koblenz u. a. aus:

„Als Ermächtigungsgrundlage für Sondergebiete greift hier § 11 BauNVO ein. Absatz 1 dieser Vorschrift bestimmt, dass als sonstige Sondergebiete (also solche, die nicht gemäß § 10 BauNVO der Erholung dienen) solche Gebiete darzustellen und festzusetzen sind, die sich von den Baugebieten nach §§ 2 bis 10 BauNVO wesentlich unterscheiden. Insoweit muss es sich um eine durch die besondere Nutzung des Gebietes gekennzeichnete Unterscheidung handeln. Hierbei ist die Gemeinde jedoch nicht an den Katalog der Nutzungsart der Baunutzungsverordnung gebunden. Vielmehr kann die Kommune über diesen Katalog hinaus Sondergebiete „erfinden“. Von daher ist ein Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Historische Kulturstätten - Sicherung und Entwicklung des Orts- und Landschaftsbildes“ nicht zu beanstanden, zumal die Zweckbestimmung in der Planbegründung eingehend erläutert wird und durch die in Ziffer 2 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen näher bezeichneten Nutzungsbeschränkungen seine besondere Eigenart erhält.

Nach § 11 Abs. 2 BauNVO ist zudem die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Zur Festsetzung der Nutzung gehört auch die Festsetzung, welche Anlagen allgemein zulässig, unzulässig oder ausnahmsweise zulässig sind. Dies ist hier durch Ziffer 2 Abs. 2 der textlichen Festsetzungen geschehen. Zwar werden darin u. a. nur eine absolute Bauverbotszone sowie eine Bauverbotszone mit Ausnahmen festgesetzt, in der eine nach Grundfläche, Volumen und Höhe begrenzte Bebauung möglich ist. Hiergegen ist jedoch nichts zu erinnern, da eine Nutzungsfestsetzung auch durch negative Beschreibungen in der Weise geschehen kann, dass (bestimmte) Anlagen unzulässig sind. Zudem ist die Festsetzung von Ausnahmen im Hinblick auf § 31 Abs. 1 BauGB unbedenklich. […]

Der Bebauungsplan ist ebenfalls nicht deshalb fehlerhaft, weil er nach Ansicht des Antragstellers bezüglich des ausgewiesenen Sondergebiets keine Festsetzung über die zulässige Art der baulichen Nutzung enthält und insoweit zu unbestimmt sein soll. Die Zweckbestimmung des Sondergebietes ist in der Umschreibung „Historische Kulturstätten - Sicherung des Orts- und Landschaftsbildes“ hinreichend konkretisiert. Hieraus und aus der Plangebegründung ergibt sich ohne weiteres die Entwicklungsrichtung des Sondergebietes, da sich dem Wortlaut im Zusammenspiel mit der Planbegründung und den Erläuterungen des Bebauungsplanes unschwer entnehmen lässt, dass das Sondergebiet das Umfeld des jüdischen Friedhofs und der Kapelle nebst Stationenweg vor großen Gebäuden, die landschaftsbildrelevant sind, schützen soll und damit auch das Orts- und Landschaftsbild entwickelt und gesichert werden soll. Dies reicht für eine eindeutige Festsetzung der Zweckbestimmung im Sinne von § 11 Abs. 2 BauNVO aus.

Bedenken bestehen ebenso wenig im Hinblick auf die Bestimmtheit der Art der im Sondergebiet zulässigen Nutzungen. Denn dies kann – wie hier – auch durch negative Beschreibungen in der Weise geschehen, dass bestimmte Anlagen unzulässig sind (s. BVerwG, Urteil vom 14. April 1998 - 4 C 52.87 -, juris). Vorliegend regelt Ziffer 2 der textlichen Festsetzungen, ob und welche baulichen Anlagen im Geltungsbereich des Bebauungsplan unzulässig sind und welche ausnahmsweise zugelassen werden können, sodass es für den Planbetroffenen nicht zweifelhaft sein kann, welche Flächen mit welchen Vorhaben bebaut werden dürfen und welche nicht. […]

Ist der Bebauungsplan mithin hinsichtlich seiner Festsetzungen weder zu unbestimmt noch widersprüchlich, so folgt dessen Unwirksamkeit auch nicht aus einer fehlenden städtebaulichen Erforderlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB. Ob ein Bebauungsplan erforderlich ist, richtet sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993, BVerwGE 92, 8). Der Gemeinde kommt im Rahmen der Frage der städtebaulichen Erforderlichkeit ein weites planerisches Ermessen zu, innerhalb dessen sie ermächtigt ist, eine „Städtebaupolitik“ entsprechend ihren städtebaulichen Vorstellungen zu betreiben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999, NVwZ 1999, 1338). Daraus folgt, dass die Gemeinde planungsbefugt ist, wenn sie hierfür hinreichend gewichtige städtebauliche Belange ins Feld führen kann. Insbesondere dann, wenn es einer Bauleitplanung völlig an positiven Planungszielen fehlt (reine Negativplanung) oder wenn mit der Bauleitplanung keine städtebaulichen Ziele verfolgt werden, kann nicht von der Erforderlichkeit der konkreten Planung ausgegangen werden. Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist vorliegend jedoch die Erforderlichkeit der angegriffenen Planung zu bejahen. Denn selbst wenn ein Bebauungsplan nach seiner Entstehungsgeschichte einen „ad hoc“-Bezug auf ein zu verhinderndes Vorhaben ausweist, lässt dies keinerlei Schlüsse auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Planung zu. Der Gemeinde ist es nämlich keinesfalls verwehrt, auf entsprechende Bauvoranfragen mit der Aufstellung eines Bebauungsplanes zu reagieren, der diesen die materielle Rechtsgrundlage entzieht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1990, NVwZ 1991, 875). Vielmehr kommt es darauf an, ob eine bestimmte Planung – auch wenn sie durch den Wunsch, ein konkretes Vorhaben zu verhindern, ausgelöst worden ist – für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Diese Planung darf nicht lediglich das vorgeschobene Mittel sein, um einen Bauwunsch zu durchkreuzen. Letzteres kann nicht schon dann angenommen werden, wenn die negative Zielrichtung im Vordergrund steht. Auch eine zunächst nur auf eine Verhinderung einer – aus Sicht der Gemeinde bestehende – Fehlentwicklung gerichtete Planung kann einen Inhalt haben, der rechtlich nicht zu beanstanden ist (s. BVerwG, a. a. O.).

Letzteres ist hier der Fall. Die Planung dient nämlich ausweislich der Begründung des angegriffenen Bebauungsplanes dazu, den Stationenweg und die Kapelle als Landschaftsbild prägendes Gesamtensemble zu sichern (s. I, 1 der Begründung) und damit auch die Vorgaben des regionalen Raumordnungsplans umzusetzen, wonach dominierende landschaftsprägende Gesamtanlagen mit erheblicher Fernwirkung zu bewahren seien (s. III, 3 der Begründung). Auch ein zukünftiger Schutz der bestehenden Denkmalzone im Bereich des historischen jüdischen Friedhofs soll im Rahmen der landschaftsplanerischen Konzeption gewährleistet werden (s. I, 6.4 und III, 2 der Begründung). Dies sind aber durchaus städtebauliche Ziele, die bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigen sind (s. dazu § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB). Dass dieses Ziel – wie der Antragsteller behauptet – nur vorgeschoben sein soll, um die Bebauung des Außenbereichs mit privilegierten landwirtschaftlich genutzten Gebäuden zu verhindern, lässt sich nicht daraus herleiten, dass die Antragsgegnerin angeblich willkürlich den Geltungsbereich des Bebauungsplanes erst ab dem 3. Kreuz des Stationenweges habe beginnen lassen. Er verkennt dabei, dass diese Ausgestaltung des Geltungsbereiches daraus resultiert, dass nach unwidersprochenem Vorbringen der Antragsgegnerin die ersten Kreuze des Stationenweges im unbeplanten Innenbereich liegen und schon von Bebauung umgeben sind und somit das Planungsziel insoweit nicht mehr zu erreichen ist. […]“