Sind Anwaltsleistungen nach VOF oder nach VOL/A zu vergeben?

06.07.2012

 

Zu: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.01.2012 - Verg 70/11

 

Der Auftraggeber hatte Rechtsberatungsleistungen in Bezug auf die (passive) Prozessvertretung in 1.400 Klageverfahren im Offenen Verfahren ausgeschrieben. Dabei wurden wegen der Größe des Auftrags zwei Lose gebildet. Angebote sollten nur für jeweils ein Los eingereicht werden. Eine Anwaltskanzlei bewarb sich mit einem preislich erheblich unterhalb der Offerten der Wettbewerber liegenden Angebot. Der Auftraggeber schloss daher das Angebot wegen eines offenbaren Missverhältnisses zwischen Preis und Leistung von der Wertung aus. Hiergegen wandte sich die ausgeschlossene Kanzlei mit einem Nachprüfungsantrag.

 

Mit Erfolg! Die Vergabekammer und das OLG Düsseldorf geben dem ausgeschlossenen Anwaltsbüro Recht. Das OLG hat entschieden, dass Dienstleistungen, auch solche anwaltlicher Prozessführung, nach der VOF auszuschreiben sind. Es handelt sich um Tätigkeiten im Rahmen einer freiberuflichen (rechtsanwaltlichen) Berufsausübung. Für die Abgrenzung zur VOL/A unter dem Gesichtspunkt der "vorab nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbaren Leistung" kommt es nach der Auffassung des OLG Düsseldorf nicht darauf an, ob die zu vergebende (freiberufliche) Leistung ihrem Gegenstand und ihrer Art nach so beschrieben werden kann, dass darüber ein Vertrag geschlossen werden kann. Vielmehr kommt es auf die Aufgabenlösung an, die bei Anwaltsleistungen nicht im Vorhinein beschrieben werden kann. Bei den nicht prioritären Dienstleistungen nach den Anhängen I B scheidet eine Nachprüfung gemäß den §§ 102 ff GWB nicht aus. Lediglich der materiell-rechtliche Prüfmaßstab ist hier dergestalt reduziert, dass lediglich die Vorschriften über die technischen Anforderungen und über die nachträgliche Auftragsbekanntmachung zu berücksichtigen und daneben allgemeine vergaberechtliche Prinzipien zu beachten sind. Ob hiernach überhaupt eine Verpflichtung besteht, ungewöhnlich niedrige und im Missverhältnis zwischen Preis und Leistung stehende Angebote auszuschließen, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls dann, wenn sich ein Angebot von Anwaltsleistungen innerhalb der zulässigen Rahmengebühr nach § 14 RVG hält, ist eine Unangemessenheit nicht anzunehmen. Ein Angebot mit Mindestgebühren ist zumindest zulässig, wenn der anbietende Anwalt auf solche Gesichtspunkte hinweist, die den Bearbeitungsaufwand einschränken.

 

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf basiert, speziell hinsichtlich der Überprüfbarkeit der nicht prioritären Dienstleistungen, auf einer gefestigten Judikatur der Vergabesenate und des BGH. Für die Praxis bedeutsam ist der Hinweis, dass zwar die VOF das Verhandlungsverfahren als Regelverfahren vorsieht, aber auch im Rahmen der VOF eine strengere Verfahrensart wie das Offene Verfahren eingesetzt werden darf, zumal eine Beeinträchtigung von Bieterinteressen hierdurch nicht zu befürchten ist.