Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen

28.04.2012

 

Zu: BVerwG, Urteil vom 04.04.2012 - 4 C 8.09, 4 C 9.09, 4 C 1.10, 4 C 2.10, 4 C 3.10, 4 C 4.10, 4 C 5.10, 4 C 6.10

 

Im Planfeststellungsbeschluss sind für die Gesamtnacht (22.00 bis 6.00 Uhr) – auf das Kalenderjahr bezogen – durchschnittlich 150 planmäßige Flugbewegungen je Nacht zugelassen. In der sogenannten Mediationsnacht (23.00 bis 5.00 Uhr) sind durchschnittlich 17 planmäßige Flugbewegungen von Luftfahrzeugen im ausschließlichen Luftfrachtverkehr bzw. Luftpostverkehr sowie übergangsweise und nachrangig auch Touristik- und Passagierflüge zugelassen.

In den acht Musterklageverfahren der Städte Offenbach am Main, Mörfelden-Walldorf, Neu-Isenburg, Raunheim und Rüsselsheim sowie von Privatpersonen, Gewerbetreibenden und einer kommunalen Klinik hat der VGH Kassel das beklagte Land Hessen verpflichtet, über die Zulassung planmäßiger Flüge in der Zeit von 23.00 bis 5.00 Uhr und über den Bezugszeitraum für die Zulassung von durchschnittlich 150 planmäßigen Flügen je Nacht neu zu entscheiden, und den Planfeststellungsbeschluss insoweit aufgehoben. Im Übrigen hat er die Klagen abgewiesen.

Das BVerwG hat das erstinstanzliche Urteil im Wesentlichen bestätigt.

Nach Auffassung des BVerwG sind Flüge in der Mediationsnacht (23.00 bis 5.00 Uhr) bis zu einer Neubescheidung (weiterhin) unzulässig. Die Zulassung von 17 planmäßigen Flügen in der Mediationsnacht, die im ursprünglichen Betriebskonzept nicht vorgesehen waren, wäre allerdings – anders als vom Verwaltungsgerichtshof angenommen – bereits wegen fehlender Anhörung der Betroffenen aufzuheben. Zu Recht habe der Verwaltungsgerichtshof die Regelung als abwägungsfehlerhaft beanstandet, weil sie den besonderen Anforderungen an den Nachtlärmschutz der Bevölkerung nicht genüge. Bundesrechtlich unbedenklich sei auch, dass der Verwaltungsgerichtshof dem Grundsatz in Nr. III 1 der Landesentwicklungsplan-Änderung 2007 die Wirkung einer "konkretisierenden Gewichtungsvorgabe" beigemessen habe, die als grundsätzliches Verbot planmäßiger Flüge in der Mediationsnacht zu verstehen sei und den Gestaltungsspielraum sehr weit – auf annähernd Null – einschränke. Der planerische Spielraum des beklagten Landes bei der Neuregelung des Flugbetriebes in der Mediationsnacht sei dementsprechend gering.

Hinsichtlich der sogenannten Nachtrandstunden (22.00 bis 23.00 Uhr und 5.00 bis 6.00 Uhr) ist das BVerwG über die Beanstandung durch die Vorinstanz hinausgegangen. Ab sofort dürfen in dieser Zeit nicht mehr durchschnittlich 150, sondern nur noch – auf das Kalenderjahr bezogen – durchschnittlich 133 planmäßige Flüge stattfinden. Über die Zulassung eines darüber hinausgehenden Kontingents habe das beklagte Land neu zu entscheiden. Sollte es sich dazu entschließen, das Kontingent von durchschnittlich 133 Flügen wieder zu erhöhen, habe es zu beachten, dass die Nachtrandstunden nicht als bloße Verlängerung des Tagflugbetriebes angesehen werden dürften. Selbst im Falle eines nahezu vollständigen Flugverbots in den Kernstunden der Nacht bleibe die Verhältnismäßigkeit nur gewahrt, wenn das Konzept eines zum Kern der Nacht hin abschwellenden und danach wieder ansteigenden Flugverkehrs auch in diesem Zeitsegment durchgehalten und durch geeignete Vorkehrungen effektiv und konkret begrenzt werde. Absehbare tagähnliche Belastungsspitzen in den einzelnen Nachtrandstunden oder in längeren, insbesondere kernzeitnahen Zeitabschnitten müssten deswegen in den jeweils betroffenen Überfluggebieten vermieden werden.

Zu korrigieren wäre das erstinstanzliche Urteil auch, soweit der Verwaltungsgerichtshof das Schutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses für gewerbliche Anlagen gebilligt habe. Der Schutz gewerblicher Anlagen sei im FluglärmG nicht geregelt. Es sei deshalb Aufgabe der Planfeststellungsbehörde, die fachplanerische Zumutbarkeitsgrenze fluglärmbedingter Beeinträchtigungen von Gewerbebetrieben selbst zu bestimmen und auf dieser Grundlage dem Vorhabenträger im Planfeststellungsbeschluss diejenigen Schutzmaßnahmen aufzuerlegen, die zur Sicherung der Benutzung der benachbarten Gewerbegrundstücke gegen Gefahren oder Nachteile notwendig seien. Das an die Kriterien des Arbeitsstättenrechts anknüpfende Schutzkonzept des Planfeststellungsbeschlusses genüge diesen Anforderungen nicht. Auch in diesem Punkt bedürfe der Planfeststellungsbeschluss der Nachbesserung.

Im Übrigen habe der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung des beklagten Landes Hessen für den planfestgestellten Ausbau des Flughafens Frankfurt Main zu Recht nicht beanstandet.