Die Verjährung des vor der Abnahme des Bauwerks aufgrund eines VOB-Vertrages entstandenen Anspruchs des Auftraggebers auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten beginnt grundsätzlich nicht

28.03.2012

 

Zu: BGH, Urteil vom 12.01.2012 - VII ZR 76/11

 

Gemäß § 4 Nr. 7 Satz 1 VOB/B kann der Auftraggeber zwar schon während der Ausführung Mängelbeseitigung verlangen. Einen Anspruch auf Erstattung der Mängelbeseitigungskosten hat er allerdings nur, wenn dem Auftragnehmer vor einer Nachbesserung eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt und die Auftragsentziehung angedroht wurde. Danach kann der Auftraggeber gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B den Vertrag kündigen und die Ersatzvornahmekosten geltend machen.
Dieser Grundsatz erfährt eine Ausnahme, wenn die Fristsetzung und die Kündigung reine Förmelei wären, weil der mit ihnen verfolgte Zweck, den Auftragnehmer zur Erfüllung anzuhalten und klare Verhältnisse zu schaffen, nicht berührt ist.
Die Verjährung des vor der Abnahme entstandenen Anspruchs auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten beginnt beim VOB-Vertrag grundsätzlich nicht vor der Abnahme.

Ein Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der Lieferung und Montage von Wand- und Deckenelementen. Schon während der Ausführung rügt der Auftraggeber Mängel, deren Beseitigung der Auftragnehmer verweigert. Daraufhin beauftragt der Auftraggeber eine Fremdnachbesserung für 42.000 Euro im Jahre 2001. Zu einer Abnahme kommt es nicht. 2005 erhebt der Auftraggeber Klage auf Erstattung der Mängelbeseitigungskosten. Der Auftragnehmer erhebt Verjährungseinrede.

Anders als das OLG Hamburg erklärt der BGH den Anspruch für nicht verjährt. Das OLG ging davon aus, dass es sich bei dem Anspruch um einen Schadensersatzanspruch aus § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B handle. Für einen solchen Anspruch sei die Verjährungsregelung des § 13 Nr. 4 VOB/B nicht anwendbar, so dass die Regelverjährung zu gelten habe. Diese betrage gemäß § 195 BGB drei Jahre und sei am 31.12.2004 abgelaufen. Das sieht der BGH anders. Der Anspruch folge aus § 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 VOB/B. Er knüpft an seine Entscheidungen zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen im "hängengebliebenen" Architektenvertrag nach altem Recht an (IBR 2011, 202; IBR 2010, 577). Danach beginnt die fünfjährige Verjährung von Ansprüchen, die bereits vor der Abnahme entstanden sind, erst mit der Abnahme. Diese Rechtsprechung überträgt der BGH nunmehr auf den VOB-Vertrag. Auch in der VOB seien Gewährleistungsansprüche vor und nach Abnahme geregelt, wenn auch - anders als in § 634 BGB a.F. - in unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen. Es sei jedoch nicht zu rechtfertigen und es wäre unverständlich, wenn gleichartige Ansprüche wegen Mängeln vor und nach der Abnahme unterschiedlichen Verjährungsregeln unterlägen. Ansonsten könnte ein bereits vor Abnahme verjährter Anspruch durch Abnahmeerklärung zum Neubeginn der Verjährung führen. § 13 Nr. 4 VOB/B bringe in gleicher Weise wie § 638 Abs. 1 BGB a.F. zum Ausdruck, dass die Verjährung der wegen Mängeln vor der Abnahme entstandenen und gleichartig nach der Abnahme geregelten Ansprüche nicht beginnt, wenn die Abnahme nicht erklärt worden ist.

Anders als im alten Schuldrecht und in der VOB/B fehlt im neuen Schuldrecht des BGB eine Regelung, wonach Mängelansprüche bereits vor Fertigstellung bzw. Abnahme geltend gemacht werden können. Vor der Abnahme stehen dem Besteller nach neuem Schuldrecht also Erfüllungsanspruche zu, auf die die fünfjährige Verjährung dem Wortlaut nach nicht anwendbar ist. Diese Frage ist auch mit diesem Urteil, das sich ausschließlich auf den VOB-Bauvertrag bezieht, für den BGB-Werkvertrag nicht entschieden.