Kein ausdrücklicher Hinweis auf Kontamination: Mehrvergütung für Entsorgung belasteter Böden?

11.03.2012

Zu: BGH, Urteil vom 22.12.2011 - VII ZR 67/11

 

Der Auftragnehmer wird vom einem öffentlichen Auftraggeber damit beauftragt, die teerhaltige Asphaltschicht einer Ortsdurchfahrt und den darunter liegenden Boden zu entfernen. Die Ausschreibung enthält keine Angaben zur Bodenbeschaffenheit. Der gelöste Boden weist eine geringe Schadstoffbelastung auf. Der Auftragnehmer meint, er habe von schadstofffreiem Boden ausgehen dürfen und macht für die notwendige Deponierung knapp 100.000 Euro geltend. Im anschließenden Prozess führt ein Sachverständiger aus, dass sich unterhalb der Asphaltdecke einer Ortsdurchfahrt regelmäßig ein mit Schadstoffen belasteter Boden befindet. Das OLG führt eine Bieterumfrage durch, bei der die befragten Bauunternehmen angeben, sie seien bei der Kalkulation von unbelastetem Boden ausgegangen, und gibt der Klage des Auftragnehmers statt. Der Auftraggeber legt Revision ein.

 

Das Gericht entscheidet zu Gunsten des Auftraggebers! Die Auslegung des geschlossenen Vertrags ergibt, dass die Deponierung des kontaminierten Bodens zum geschuldeten und mit der vereinbarten Vergütung abgegoltenen Leistungsumfang des Auftragnehmers gehört. Der Boden wird in der Leistungsbeschreibung nicht beschrieben, so dass nach dem Wortlaut des Vertrags der Aushub des jeweilig vorgefundenen Bodens geschuldet und von der Preisvereinbarung erfasst ist. Da der Auftraggeber den Boden nicht im Detail beschrieben hat, kommt insbesondere keine Vollständigkeits- und Richtigkeitsvermutung zu Gunsten des Auftragnehmers in Betracht. Es kommt deshalb darauf an, ob sich aus den übrigen Umständen, insbesondere der Verkehrssitte oder den Ausschreibungsregeln der VOB/A oder VOB/C eine Einschränkung des Wortlauts dahin gehend entnehmen lässt, dass der Bodenaushub nicht von der Vergütung erfasst ist. Ergibt sich aus der Leistungsbeschreibung unter Berücksichtigung aller Umstände klar und eindeutig, dass ein bestimmtes Leistungsdetail Gegenstand der Preisvereinbarung ist, ist die Leistung eindeutig und erschöpfend beschrieben und es bedarf keiner besonderen Erwähnung im Vertrag. Folglich ist die ausdrückliche Erwähnung von Bodenkontaminationen nicht zwingend. Davon gehen auch die in § 9 Nr. 3 Abs. 4 VOB/A in Bezug genommenen DIN aus. Nach DIN 18299 Abschnitt 0.1.20 und DIN 18300 Abschnitt 0.2.3 ist die Schadstoffbelastung "nach den Erfordernissen des Einzelfalls" anzugeben. Eine Schadstoffbelastung bedarf daher keiner besonderen Erwähnung, wenn sie sich aus den übrigen Umständen klar ergibt. Das ist hier der Fall. Nach den Feststellungen des Sachverständigen sind die Bodenschichten unter einer alten Asphaltdecke durch nach unten sickernde Schadstoffe aus dem teerbelasteten Asphalt in der Regel ebenfalls belastet. Das nicht nachvollziehbare Ergebnis der Bieterumfrage ist somit nicht entscheidend.

 

Dass bestimmte Umstände nach DIN 18299 ff nur "nach den Erfordernissen des Einzelfalls" anzugeben sind, betrifft nicht nur mögliche Schadstoffe, sondern gilt für sämtliche in den Abschnitten der einschlägigen DIN genannten Sachverhalte.