Zuschlag darf auch auf ein Unterkostenangebot erfolgen!

27.02.2012

Zu: KG, Beschluss vom 23.06.2011 - 2 Verg 7/10

 

Die Vergabestelle schrieb im Offenen Verfahren die Wartung von Beleuchtungseinrichtungen und Verkehrsampeln in Berlin aus. In einem ersten Nachprüfungsverfahren erreichte die Antragstellerin eine Rückversetzung der Wertung. Das KG beanstandete an der Wertung, dass das Angebot der Beigeladenen in einem offenbaren Missverhältnis zur Leistung stand. Darauf wertete die Vergabestelle die Angebote neu und hielt beide für angemessen. Die Vergabestelle beabsichtigte nun, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Die Antragstellerin rügte erfolglos die Unangemessenheit des Preises der Beigeladenen und reichte einen Nachprüfungsantrag ein. Auf die Preisunangemessenheit könne sie sich ausnahmsweise berufen, weil die Beigeladene in der Absicht gehandelt habe, sie vom Markt zu verdrängen. Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag zurück, wogegen die Antragstellerin sofortige Beschwerde einlegte.

 

Erfolglos. Der Beurteilungspflicht der Vergabestelle stand nicht von vorneherein entgegen, dass ihr insoweit die Prüfungskompetenz fehle, weil zur Verfolgung von Kartellverstößen alleine die Kartellbehörden berufen wären. Nach Ansicht des Senats gelangte die Vergabestelle beurteilungsfehlerfrei dazu, dass die Erteilung des Zuschlags auf das Unterkostenangebot der Beigeladenen die Antragstellerin nicht der objektiven Gefahr aussetzte, vom Markt verdrängt zu werden. Sie unterstützte damit auch nicht unlautere Verhaltensweisen im Wettbewerb, weil sie nicht feststellen konnte, dass die Beigeladene ihr Unterkostenangebot in der zielgerichteten Absicht abgab, die Antragstellerin vom Markt zu verdrängen. Für sie deutete nichts darauf hin, dass die Gefahr bestand, die Beigeladene werde ihren Auftrag aufgrund des Unterkostenangebots nicht ordnungsgemäß erfüllen. Ebenso wenig war für sie erkennbar, dass die Beigeladene bei der Durchführung des Auftrags entstehende Verluste innerhalb ihres Konzerns durch Gewinne von anderen Unternehmen des Konzerns aus Stromlieferungen kompensieren werde.

 

Die Zulässigkeit von Unterkostenangeboten rückt immer häufiger in den Fokus der sich argwöhnisch beäugenden Konkurrenten. Dass die Vergabestellen mitunter das Ihre dazu beitragen, indem sie alleine nach dem niedrigsten Preis vergeben, ist ein Thema für sich. Jedes sich gegen Unterkostenangebote wehrende Bieterunternehmen sollte jedoch berücksichtigen, dass bei einem gerichtlichen Vorgehen die Trauben sehr hoch hängen. Das zeigt nicht zuletzt der vorliegende Beschluss. Der potenzielle Antragsteller sollte sich vor der Einlegung eines Vergabenachprüfungsantrags fragen: Kann ich belegen, dass ich wirklich einer Marktverdrängungsgefahr ausgesetzt bin? Bezeichnet er sich nämlich - wie hier geschehen - in einer Vorjahresbroschüre noch als "Marktführer", darf die VSt dies als ein Indiz gegen sein Marktverdrängungsrisiko werten.