Darf der Architekt der Planung eines Sonderfachmanns vertrauen?

01.01.2012

Darf der Architekt der Planung eines Sonderfachmanns vertrauen?

Zu: OLG Köln, Urteil vom 17.08.2011 - 11 U 16/11

Ein Architekt darf sich grundsätzlich auf die Berechnungen eines Statikers verlassen. Er muss sich jedoch vergewissern, dass sie auf der Grundlage zutreffender und vollständiger bautechnischer Vorgaben vorgenommen worden sind, und sie zumindest auf Fehler oder Unvollständigkeiten überprüfen, die für ihn als Architekten auch ohne Spezialkenntnisse erkennbar sind. Das umfasst insbesondere die Prüfung, ob der Statiker seinen Berechnungen den maßgebenden Stand der Architektenplanung zu Grunde gelegt hat.

Ein Architekt wird von seinem Bauherrn auf Schadensersatz in Anspruch genommen, weil er die zunächst vorgesehene Außenwanddämmung von 22 cm fehlerhaft umgesetzt habe. Nach einer Umplanung sah er eine 24 cm dicke Dämmschicht vor und versetzte zur Erhaltung der Gesamtbreite des Gebäudes die tragenden oberirdischen Außenwände um 2 cm nach innen, wodurch unzulässige Spannungen im Untergeschoss-Mauerwerk verursacht wurden. Zu deren Ausgleich wurde die Untermauerung der Kelleraußenwände mit einer zusätzlich tragenden Wandschale erforderlich. Der Architekt verteidigt sich unter anderem mit dem Argument, der beteiligte Statiker sei über den Einbau einer 24 cm dicken Dämmschicht und der daraus folgenden Verbreiterung der oberirdischen Außenwände informiert worden und habe dies in seinen statischen Plänen berücksichtigt.

Das Gericht ist der Argumentation des Architekten nicht gefolgt. Im vorliegenden Fall beruht die statische Berechnung auf den Entwurfsplänen des Architekten von August 2006. Die Umplanung in Bezug auf die veränderte Dicke der oberirdischen Außenwände erfolgte allerdings erst danach, weshalb sie in der statischen Berechnung noch nicht berücksichtigt worden sein konnte. Zwar darf sich der Architekt auf die Berechnungen des Statikers verlassen, muss jedoch prüfen, ob diese auf der Grundlage zutreffender und vollständiger bautechnischer Vorgaben vorgenommen wurden, und sie auf Fehler oder Unvollständigkeiten überprüfen, soweit dies für ihn ohne Spezialwissen erkennbar ist. Hierzu gehört auch die Überprüfung, ob der statischen Berechnung der maßgebliche Stand der Architektenplanung zu Grunde gelegt wurde. Da der Architekt diese Überprüfung nicht vorgenommen und auch keine Neuberechnung auf der Grundlage der Umplanung veranlasst hatte, ist er dem Bauherrn zum Schadensersatz verpflichtet. Dabei muss sich der Bauherr etwaige Fehler des Statikers nicht als Mitverschulden anrechnen lassen.

Jeder der Beteiligten muss die ihm vom Auftraggeber beauftragten Werkleistungen so erfüllen, dass auf deren Grundlage ein mangelfreies und funktionierendes Gesamtwerk erstellt werden kann. Sofern in einzelnen Bereichen spezielles Fachwissen gefragt ist, das der Architekt nicht hat und auch nicht haben muss, so muss ihm der Bauherr aufgrund seiner Mitwirkungsverpflichtung geeignete Fachleute zur Seite stellen. Allerdings ist der Architekt auch bei Einsatz von Fachplanern nicht davon entbunden, sein eigenes Fachwissen auszuschöpfen und insbesondere seiner Pflicht nachzukommen, die Planungsleistungen sämtlicher Beteiligter sorgfältig zu koordinieren, sie zu einer insgesamt stimmigen Planung zusammenzuführen und gegebenenfalls Zweifel an der Richtigkeit der Planungsaussagen der Sonderfachleute zu äußern.

Ihr Ansprechpartner: Rechtsanwalt Jochen Zweschper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Quelle: ibr-online-Newsletter 18/2011